Archive for the ‘Märkte’ Category

Die Schönheit des Makels

Monday, December 22nd, 2008

Indien ist voller schöner Dinge.

Dieses Kunstwerk erstand ich neulich, als ich noch keinen kranken Hund hatte und noch das Haus verlassen konnte 😉 bei einem Basar fliegender Händler aus anderen Staaten, insbesondere Rajasthan. Witzig fand ich, dass der Händler überhaupt nicht begreifen konnte, was ich an diesem alten Tontopf so schön fand: Er gab mir die Vase mit verächtlicher Geste, war doch die Glasur nicht ebenmäßig, und an einer Seite verbeult war sie auch, die Vase, nicht die Glasur.

Ich unterließ es, ihn aufzuklären, wieviel Schönheit nach europäischen Maßstäben hier vor mir stand und lächelte in mich hinein. So unterschiedlich können die Auffassungen sein!

Ich war glücklich: Hätte ich so ein Stück suchen wollen, wäre ich wohl erst in Europa, und da auch nur mit Glück, in einer Galerie für alte japanische Töpferkunst fündig geworden – für ein Hundertfaches des indischen Preises.

Das sanfte Gesicht Bengalens

Monday, October 20th, 2008


Kalkutta: ‘Grand Dame‘ aller indischen Städte, gelegen an einem der heiligsten Flüsse Indiens, einem Seitenarm des Ganges, dem Hooghly, voller Prachtbauten der Kolonialzeit, langsam in Würde verfallend, kommunistisch regiert, Heimat für geschätzte 16 Millionen Menschen, Heimat auch für die verstorbene Mutter Theresa, ihre Charity und ihr Sterbeheim, heimliche Kunst- und Kulturhauptstadt Indiens mit Literaturgiganten wie Rabindranath Tagore und Zellulloid-Größen wie Satyajit Ray.

Kalkutta auch, mit ihrem unrühmlichen Ruf, die Ärmsten aller Armen Indiens zu beherbergen, mit ihren Gehsteigen für menschliche Massenlager, jede Straße ein herzzerbrechendes Elendsquartier: „Bakshish, Sister, Bakshish, I need to buy milkpowder for my son, look, he is here, sleeping in my arm!“

Wie soll, wie kann man also 16 Millionen Menschenleben, die Gegensätze dieser Stadt, diesen ständigen Wechsel zwischen Arm und Reich, zwischen Prachtbau und Planenlager auch nur annähernd beschreiben?

Teatime in India

Sunday, June 29th, 2008

Gelbe Hitze, staubschwere Luft. Wir treten aus dem kühlen Schatten des Mandai-Markts heraus und haben Durst auf Chai. Chai, oder Cha auf Marathi, ist die indische Antwort auf den englischen Fünf-Uhr-Tee, nur dass sich Inder in ihrem Teekonsum nicht auf eine Tageszeit beschränken. Überall und zu jeder Zeit wird der süße, starke schwarze Gewürztee angeboten und konsumiert. Chai ist nicht bloß ein Getränk in Indien, es ist eine Lebenshaltung.

Wir haben Glück: Gleich an der Lieferrampe für Bananenstauden steht ein Chai-Wallah mit seinem mobilen Teestand. Der Kerosinbrenner faucht, der verbeulte Aluminiumtopf mit dem Gebräu brodelt. Gelassen steht der Mann an seinem Brenner, beobachtet den siedenden Inhalt, nimmt Augenmaß und gießt immer dann, wenn der Topf überzukochen droht, mit einer Kelle in hohem Bogen ein wenig von der Flüssigkeit in eine Extrakanne, nur um dann, wenn sich das Gebräu beruhigt hat, den Inhalt der Kanne wieder dem Topf hinzuzufügen. Jedesmal mit großer Geste, prüfend, routiniert. Dann noch ein wenig grob zerteiltes Lemongrass hinzugefügt, blubbernd aufgekocht, erneut abgeschöpft, im Bogen gegossen, bis der Meister zufrieden ist. Das dauert. Erst wenn ein Maximum an Cremigkeit, an sahniger Konsistenz erreicht ist, wird der Tee serviert: Mit einem feinen stolzen Lächeln gießt uns der Wallah den Tee in zwei der bereitstehenden Gläschen.

Mahatma Pule Mandai Market

Tuesday, May 6th, 2008

Heute habe ich Glück: Seit ich aufgegeben habe, auf den Internet-Anschluss zu warten, habe ich frei und kann mir den Tag einteilen. Was bedeutet: Nachdem U. und ich morgens Tee getrunken haben, Assaichen sein wohlverdientes (mutiger Flughund, der!) Leberwurstbrot + Tablette bekommen hat, die Morgenrunde vorbei an den giftigen Streunern gedreht ist und ich schlussendlich unter die (nur morgens!) kalte Dusche gehüpft bin, kann ich los, die Stadt entdecken.

Heute geht es ganz feudal in unserer großen, weißen Klimakutsche direkt ins Herz der Altstadt zum Mahatma Pule Mandai (kein Schreibfehler!) Market im Shukrawar Peth, einem der ältesten Distrikte der Stadt, eng, verwinkelt, heiss – aber unverwechselbar indisch. Zierliche Wadas – alte Timber-Holzhäuser mit fein ziselierten Balkonen säumen die baumlosen, staubigen Straßen, die sternförmig auf den alten, kolonialen Markt zulaufen, der in seinem dunklen, kühlen Inneren alle Gemüse- und Obstsorten anbietet, die derzeit in Indien verfügbar sind. Vorher durchquere ich das Viertel der Metallwaren-Wallahs – überall blitzen mir die Töpfe, Pfannen, Truhen aus Aluminium in der Spätvormittagsonne entgegen, aber ich lasse sie heute links liegen. Im Inneren des Marktes dann vegetarische Opulenz: Ich mache Fotos von Kokosnuss-Bergen, Zwiebel-Haufen, Kartoffel-Stapeln, Wasser-, Honig-, und Netzmelonen, Papayas, Mangos (es ist Mango-Saison!!!), Knoblauch, Okra, Blumenkohl und Chillies und wunderbar reifen Flaschentomaten. Irgendwelche Wünsche offen?