Archive for April, 2009

schwerelose Ewigkeit

Tuesday, April 28th, 2009

Wenn Musik ein Roadmovie wäre, dann sicher diese: Manmohini Morey gesungen von Vijai Prakash aus Juvvraaj – ein Film des letzten Jahres, den ich versäumt habe, anzusehen, aber der Film ist nicht wichtig. Die Musik ist es, ist das, was ich mit Bilderbuch-Indien verbinde, mit langen Fahrten entlang der Staubstraßen Rajasthans, mit schlanken Gestalten in roten Saris, die wüstenverweht hinter einer Dünenkuppe auftauchen, Wassergefäße auf dem Kopf, sengende Hitze und endlose Weite… Es gibt Musik, die eine zeit- und raumlose Qualität vermittelt.

Es ist sonderbar, dass ein einziges Lied in der Lage ist, einen kompletten Affen aus mir zu machen: Höre ich Manmohini im Auto, breite ich in der Hitze des Tages meine Arme aus und erkläre mich mit allem einverstanden: Bettler, Roadside-Elend, 40 Grad Plus, Leben und Sterben im Allgemeinen – ich höre das Stück und surfe mit dem Slipstream der stinkenden Rikshas zu meinem Ziel und Pune gleitet in einem Kaleidoskop des Lebens an mir vorbei…

Dogged by cruelty. Kurzfassung.

Tuesday, April 28th, 2009

Wenn man dieses Land hassen möchte, dann findet man Gründe dafür. Jeden Tag.

Ich hasse dieses Land nicht. Ich habe mich sogar mal zu einer Äußerung verstiegen, die ziemlich nach “Ich liebe dieses Land” klang. Leider werden mir meine Liebesgefühle gerade schwer gemacht:

Vor ein paar Tagen fand ich den mit “Dogged by cruelty”- betitelten Artikel im Pune Mirror, Beiblatt der TOI für Pune. Inhalt: Die Hundefänger der PMC (Pune Municipal Corporation), die ja eigentlich für Sterilisation und Impfungen der Strays zuständig sein sollten, also für eine Gesundung und medizinische Versorgung der Hundepopulation, haben eine junge Hündin an einem Strick ums Genick hinter dem Hundefänger-LKW zu Tode geschleift. Zweieinhalb Kilometer lang. Bis sie endlich tot war. Weil sie sich geweigert hat, mitzukommen und ihre acht Welpen zu verlassen, von denen die Hundefänger wussten. Das Foto der toten Hündin erspare ich Euch.

And then I died.

Tuesday, April 28th, 2009

Wie fühlt es sich an, wenn man bei lebendigem Leibe frittiert wird? In heißem Öl ausgebacken, wie, sagen wir, ein Kartoffelchip? Ich weiß es jetzt, denn ich BIN der Kartoffelchip. Meine Friteuse hört auf den Namen Poona. Sie frittiert mit Luft.

Früher habe ich mich immer gefragt, warum die beknackten Spanier und Süditaliener ihre Häuser so bauen, dass garantiert kein Fitzelchen Sonne das ewige Zwielicht des muffigen Inneren erreicht, heute weiß ich, warum: Als ich gestern um 18.00 Uhr das Auto bestieg, um zu einem Freund zu fahren, es wurde gerade dunkel, zeigte das Thermometer noch 43,5 Grad. Nicht Fahrenheit. Celsius. Hitze kann Dich umbringen.

Arrangierte Ehen und andere Besonderheiten

Sunday, April 26th, 2009

Ich habe mich schon immer gefragt, wie das hier so läuft, in Indien, mit den arrangierten Ehen. Fragen über Fragen stellten sich, die ich leider nicht wirklich loswerden konnte, jedenfalls bekam ich keine direkten Antworten darauf, denn alle Angehörigen der indischen Mittelschicht, die wir kennen und die der englischen Sprache mächtig sind, haben sich ihre Partner selbst gesucht und den modernen Weg der Liebesheirat beschritten. Keine große Hilfe also, wenn es darum geht, aus erster Hand zu erfahren, wie es um dieses einzigartige Instrument der indischen Gesellschaft heute bestellt ist.

Auf meinem Zettel des ungläubigen Unverständnisses befanden sich unter anderem folgende Fragen:

1. Gibt es das Institut der arrangierten Ehe eigentlich nur noch in der Unterschicht, oder werden auch die Damen der Mittelschicht noch an vielversprechende Kandidaten verkuppelt?

Natural beauty

Sunday, April 26th, 2009

Ich finde es faszinierend, wie perfekt natürliche Dinge sind:

Wie aus winzigen Zellen Leben entsteht, dass die Genetik weiß, dass aus Zelle X ein Teil einer Feder zu werden hat (oder gleich die ganze?), oder aus Zelle Y Haut, in diesem Fall Schlangenhaut. Und dass, wenn es Zeit wird, sich zu erneuern, die alten Zellen sterben und durch neue ersetzt werden und man dann die Zeugnisse dieses ständigen Wandels findet: Jedes für sich ein Beweis der Perfektion und, wie ich finde, Schönheit der Natur.

Back in India. Update.

Thursday, April 23rd, 2009

Ich bin ziemlich nachdenklich. Ich hadere mit mir, weil ich Indien als Dreckloch bezeichnet habe, bezeichnen musste. Und leider bezieht sich “Dreck” eben nicht nur auf ein paar unangenehme Gerüche aus nahegelegenen Slums.

Ich erinnere mich daran, wie glücklich ich war, all der organisierten Tristesse Deutschlands entflohen zu sein, letztes Jahr, und ich finde es erstaunlich, wie sehr sich die Wahrnehmung ändert, sobald man länger an einem Ort lebt: Die Exotik schwindet, der Alltag (und Einblick) kommt und mit ihm die Ernüchterung. Schade, auf der einen Seite, aber unausweichlich.

Ich bin nicht undankbar. Nach wie vor empfinde ich das Leben hier als große Bereicherung, denn es lässt mich staunen, jeden Tag, immer und immer wieder, trotz der bitteren Aspekte, die dieses Land hat.