Teatime in India

Gelbe Hitze, staubschwere Luft. Wir treten aus dem kühlen Schatten des Mandai-Markts heraus und haben Durst auf Chai. Chai, oder Cha auf Marathi, ist die indische Antwort auf den englischen Fünf-Uhr-Tee, nur dass sich Inder in ihrem Teekonsum nicht auf eine Tageszeit beschränken. Überall und zu jeder Zeit wird der süße, starke schwarze Gewürztee angeboten und konsumiert. Chai ist nicht bloß ein Getränk in Indien, es ist eine Lebenshaltung.

Wir haben Glück: Gleich an der Lieferrampe für Bananenstauden steht ein Chai-Wallah mit seinem mobilen Teestand. Der Kerosinbrenner faucht, der verbeulte Aluminiumtopf mit dem Gebräu brodelt. Gelassen steht der Mann an seinem Brenner, beobachtet den siedenden Inhalt, nimmt Augenmaß und gießt immer dann, wenn der Topf überzukochen droht, mit einer Kelle in hohem Bogen ein wenig von der Flüssigkeit in eine Extrakanne, nur um dann, wenn sich das Gebräu beruhigt hat, den Inhalt der Kanne wieder dem Topf hinzuzufügen. Jedesmal mit großer Geste, prüfend, routiniert. Dann noch ein wenig grob zerteiltes Lemongrass hinzugefügt, blubbernd aufgekocht, erneut abgeschöpft, im Bogen gegossen, bis der Meister zufrieden ist. Das dauert. Erst wenn ein Maximum an Cremigkeit, an sahniger Konsistenz erreicht ist, wird der Tee serviert: Mit einem feinen stolzen Lächeln gießt uns der Wallah den Tee in zwei der bereitstehenden Gläschen.

Und dann, ja dann, entfaltet sich Indien in uns: Nelken, Kardamom, Lemongrass, schwarzer Pfeffer, und, natürlich, schwarzer Tee sind die besänftigenden und gleichzeitig belebenden Inhaltsstoffe, die wir sofort wahrnehmen können, als uns der Tee wohltuend in den Magen brennt. Denn es ist dieses heiße Brennen, das einen guten Chai von einem Schlechten unterscheidet: Die Hitze und die Süße und die Schärfe – die Komplexität der Aromen und die grundlegende Frage, mit wie viel Milch ein Chai aufgesetzt wurde entscheiden über die Güte. Und dieser Tee, an diesem Tag, ist der Tee eines Meisters.

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