Posts Tagged ‘indische Kultur’

Indien nur mit Maulkorb?

Tuesday, December 16th, 2008

Hoppla, da hab ich wohl gründlich jemandem auf die Füße getreten!

Heute fand ich diesen netten Kommentar von Monika zu “Deutschland, Deine Tugenden” in meinem Postfach – Tenor: Geh doch nach Hause, wenns Dir hier nicht passt, aber bitte äußere keine Kritik. Ich gebe das Schreiben an dieser Stelle als Beispiel wieder, wie sehr man mich missverstehen kann, wenn man es denn unbedingt möchte und wie groß persönliche Empfindlichkeiten sein können.

Vorab eines: Es ist nicht meine Absicht, Indien zu beleidigen. Ich finde eine Menge Dinge klasse hier und stelle ich sie auch genauso dar. Das entgeht offensichtlich manchem Leser, trotz der gutgefüllten Kategorie ‘India rocks‘, zum Beispiel.

Ich denke auch, dass ich eine Menge Verständnis für die Eigenheiten dieses großartigen Landes habe. Und ich beschreibe viele Dinge mit einem liebenden Auge, nicht einem hassenden. Sonst wäre ich in der Tat nicht hier, denn dann wäre es nicht zum Aushalten.

No space for pretty young things and their lovers

Wednesday, October 1st, 2008

Wohin gehst Du, wenn Du jung bist, Schmetterlinge im Bauch hast und Du mit Deinem Herzensmann oder der Herzensfrau einmal allein sein willst, zum Quatschen, Händchenhalten, oder vielleicht sogar zum Küssen? Denn mehr ist eh‘ nicht drin? Zum Üben, wie es ist, mit dem Anderen zu sein, ihn (oder sie) kennen zu lernen, die Art, wie er denkt, wie er spricht, wie er küsst – flüssiges Feuer im Bauch, oder sogar tiefer?

Klar, die deutsche Antwort lautet: Nach Hause. Zu ihm oder zu Dir, the choice is yours. Normal.

Das ist anders, hier in Indien, definitiv.

Gestern tobte ein Sturm der Entrüstung durch Pune‘s Lokalpolitik, denn hiesige Liebespaare wagen es, das kulturelle Erbe der Stadt mit ihren Unflätigkeiten zu beschmutzen: Die Ruinen des Shaniwarwada, das Vorzeigestück Punes aus der Peshwa-Ära im 18. Jahrhundert, wird nämlich von Liebespaaren heimgesucht! Da geht ein empörter Aufschrei durch sämtliche Parteien, denn der unselige Trend, sich an diesem stillen Ort zu treffen, um, wie es hier euphemistisch formuliert wird, ein wenig ‘quality time‘ miteinander zu verbringen, beschmutzt die Heiligkeit dieses einmaligen Platzes.

…Und sie können niemals, niemals leise sein.

Saturday, August 2nd, 2008

O.K. Eigentlich hatten wir etwas ganz Harmloses geplant am vergangenen Sonntag. Wir fuhren zu den Karla Caves zwischen Mumbai und Pune, genauer gesagt in Lonavala gelegen, in den Bergen, nicht besonders hoch, ca. 600 Meter. Derartige Enklaven sind vor allem für geschichtsbegeisterte Personen interessant, denn es handelt sich um schlichte Steinhöhlen, die einst vor 2100 Jahren von Buddhisten in die Felsen gehauen wurden und einen Tempel und diverse Einsiedler-Klausen beherbergen. Ihre Blütezeit erlebte diese indische buddhistische Kultur so etwa um Christus‘ Geburt, zeitgleich mit der berühmten Felstempel-Architektur von Ajanta und Ellora. Soweit, so gut.

Ich hatte mich also auf eine geruhsame, bedächtige, vielleicht sogar etwas langweilige, zumindest aber meditative Erfahrung eingestellt, mit ein paar einsam wandelnden Studienräten als Touristen, Dumont-Reiseführer (oder internationales Pendant) in der Hand, ihre Kunsthistorikerinnen-Gattinnen am Arm. Dachte: ‘Julie meditiert ein wenig in einer leeren, stillen, buddhistischen Höhle‘, so in etwa. Hatte sogar überlegt, ob ich mein Kissen mitnehme. Pah! Welch Irrtum, wie weit entfernt von der Realität!

Home?

Saturday, July 19th, 2008

Grauer Morgen, graue Gesichter, kalte sechzehn Hochsommer-Grad in Norddeutschland. Miners Cafe, Braunschweig, Milchkaffee und Käsekuchen zum Frühstück, im großzügigen Raucherexil in einer windigen Ecke draußen vor der Tür. Meine kalte Hand wickelt sich um die warme Tasse als ich eine Zigarette anstecke und endlich Mails abrufe. Seit neun Tagen sind U. und ich in Deutschland, morgen darf ich endlich wieder weg.

Ich versuche, unvoreingenommen zu sein und die Menschen hier mit der gleichen Offenheit und Sympathie wahrzunehmen wie in Indien, doch das gelingt mir nur mangelhaft: Zu groß ist die Diskrepanz zwischen der Wärme und dem Lachen Indiens und den verschlossenen Gesichtern in D. Egal, wie lange man weg ist: Nichts scheint sich zu verändern in good old Germany, alles ist brav, wenig beweglich und so unglaublich ernst, dass ich kotzen möchte. Kinder, lächelt Euch doch mal an! Seid nett zueinander, Ihr lebt nur einmal und das genau jetzt!

Teatime in India

Sunday, June 29th, 2008

Gelbe Hitze, staubschwere Luft. Wir treten aus dem kühlen Schatten des Mandai-Markts heraus und haben Durst auf Chai. Chai, oder Cha auf Marathi, ist die indische Antwort auf den englischen Fünf-Uhr-Tee, nur dass sich Inder in ihrem Teekonsum nicht auf eine Tageszeit beschränken. Überall und zu jeder Zeit wird der süße, starke schwarze Gewürztee angeboten und konsumiert. Chai ist nicht bloß ein Getränk in Indien, es ist eine Lebenshaltung.

Wir haben Glück: Gleich an der Lieferrampe für Bananenstauden steht ein Chai-Wallah mit seinem mobilen Teestand. Der Kerosinbrenner faucht, der verbeulte Aluminiumtopf mit dem Gebräu brodelt. Gelassen steht der Mann an seinem Brenner, beobachtet den siedenden Inhalt, nimmt Augenmaß und gießt immer dann, wenn der Topf überzukochen droht, mit einer Kelle in hohem Bogen ein wenig von der Flüssigkeit in eine Extrakanne, nur um dann, wenn sich das Gebräu beruhigt hat, den Inhalt der Kanne wieder dem Topf hinzuzufügen. Jedesmal mit großer Geste, prüfend, routiniert. Dann noch ein wenig grob zerteiltes Lemongrass hinzugefügt, blubbernd aufgekocht, erneut abgeschöpft, im Bogen gegossen, bis der Meister zufrieden ist. Das dauert. Erst wenn ein Maximum an Cremigkeit, an sahniger Konsistenz erreicht ist, wird der Tee serviert: Mit einem feinen stolzen Lächeln gießt uns der Wallah den Tee in zwei der bereitstehenden Gläschen.

Warum ich Indien liebe, die 2.te

Wednesday, June 4th, 2008

Ich werde Indien nicht mehr verlassen, wenn es nach mir geht. Jedenfalls nicht, um woanders zu leben. Und wenn nicht Indien, so auf keinen Fall die Tropen, was für mich gleichzusetzen ist mit Asien, insbesondere Süd-Ost-Asien. Ich sitze in einem kleinen Tandur-Lokal auf einem schmierigen, fragilen Plastikstuhl direkt am schmutzigen Gehsteig der Dhole-Patil-Road und lasse entspannt das nächtliche Treiben an mir vorbeiziehen. Dann greife ich zum Handy, um U. kurz darüber zu informieren, dass ich nie wieder zurück will. Er versteht und grunzt zustimmend in den Hörer. Darin sind wir uns einig. Ich könnte und werde an dieser Stelle eine kurze Liste aufführen, warum ich Indien hassen könnte.

Das Internet. Mal funktioniert‘s, die meiste Zeit nicht. Ich habe in den vergangenen Wochen endlose (und endlos viele) Telefonate geführt, um die Kisten zum Laufen zu bringen, versprochen wurde viel, passiert ist wenig bis nichts. Angeblich liegt’s an ‘nem deutschen Server, den sie zum Laufen bringen müssen: „Madam, just another one and a half days, then it‘ll be working“. Naja.