B wie Bettelei

Frage: Wie verhalte ich mich Bettlern gegenüber?

Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage, mit der man jeden Tag viele Male konfrontiert wird. Antwort: Es gibt keine pauschale Lösung. Bettler sammeln sich überall dort, wo viele Menschen sind, also insbesondere an Busbahnhöfen, Bahnhöfen und, vor allem, Tempeln. Also genau dort, wo auch Touristen sind. Man kann ihnen nicht entgehen und häufig schreckt das Bild des Elends und trifft einen mitten ins Herz. Es sei denn man schaut weg. Aber so häufig kann man nicht wegsehen, denn Bettler trifft man überall. Und wir, als Weiße, stechen deutlich aus der Masse heraus und man unterstellt uns, dass wir viel Geld haben. Haben wir auch, im Vergleich zu Menschen, die von 50 Rupien pro Tag eine Familie durchbringen müssen. Wir sind also wandelnde Brieftaschen. Und unerfahren. Deshalb werden wir häufiger angepeilt und manchmal auch mit Nachdruck.

Was also tun?

Grundsätzlich: Ich entscheide je nach Situation, obwohl ich folgende Grundregel habe: Ich gebe lieber Frauen als Männern (sorry, Männer!) und dann lieber Alten als Jungen. Ich will auch erklären warum: Alte Frauen werden zwar geachtet, haben aber kaum eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, wenn ihre Familie sie nicht hinreichend unterstützt und sie zu gebrechlich sind, um mit körperlicher Arbeit Geld zu verdienen.

Bei jungen Frauen, die elend aussehen, kommt es hingegen häufiger vor, dass sie die demonstrativ entgegen gestreckten Babys zuvor von einer Nachbarin oder Verwandten “geliehen” haben, um betteln zu gehen. Warum? Süße, hungrige Babys garantieren Mitleid und damit Umsatz. Ganz schön clever!

Dass es sich um eine Masche zur Umsatzgenerierung handelt, und damit vermutlich um ein Leihbaby, kann man daran erkennen, wenn das Kindlein beim Einsatz der Mutter kurz vor Erreichen des Touristen noch einmal werbewirksam in den Po gekniffen wird, damit es auch ordentlich schreit. Es ist sofort still, wenn die Mutter wieder weggeht. Dieses Verhalten zum Beispiel belohne ich nicht mit Bakshish, da gibt´s dann leider nichts.

Männern gebe ich nicht so gern etwas, zumindest nicht, wenn es junge, kräftige Männer sind, die auch arbeiten könnten. Ich unterstelle einfach, dass in manchen Fällen (vielen?) das Geld nicht in der Familie ankommt, denn man kann es auch vertrinken.

Es gibt aber auch Situationen, in denen ich gar nichts gebe, zum Beispiel wenn der/die Bettler(in) furchtbar aufdringlich an meinem Arm herumzupft und nicht locker lassen will, obwohl ich deutlich Nein sage. Auch hier belohne ich kein Verhalten, das ich mir weder für mich noch andere wünsche, denn natürlich merken sich die Leute, womit sie bei Ausländern Erfolg haben.

Nun zur Höhe. Ich gebe das, was auch Inder in der Regel geben: 2 bis fünf Rupien. In Ausnahmefällen natürlich auch erheblich mehr, wenn ich die Leute besser kenne oder ich mal wieder einer richtig guten Story auf den Leim gegangen bin, wie hier.

Dann gibt es noch eine sehr unschöne Tradition, die folgendes Bild gut veranschaulicht: Es ist die Tradition des Verstümmelns von Erwachsenen und/oder Kindern, um sie zu erfolgreichen Bettlern zu machen.

Bei dem jungen Mann links ist ganz deutlich zu sehen, dass beide Arme feinsäuberlich im Schultergelenk entfernt worden sind, von jemandem, der wusste, was er tat. Es gibt in Indien meines Wissens nach sogar Chirurgen, die sich auf diese Art Eingriff spezialisiert haben. Bei seinem Kumpel daneben hat man es genauso gemacht, nur auf gleicher Höhe der Unterarme. Kein Unfall der Welt kann solch saubere und vor allem beidseitige Verstümmelungen hervorrufen, hier wurde von barbarischen Menschen manipuliert.

Hierfür gibt es von mir kein Geld, auch wenn es mir für die Betroffenen leid tut. Aber diese Praxis unterstütze ich nicht.

Ein Tipp zuletzt: Es gibt Tage auf einer langen Indienreise, an denen man einfach nicht mehr kann, ausgelaugt ist und keinen, aber auch wirklich keinen Kontakt mit irgend jemanden möchte. Schon gar nicht aufdringlichen Bettlern.

Dann hat sich folgendes bewährt: Nicht ansehen, die Bettler. Sobald man sie wahrnimmt und ihnen in die Augen sieht, ist das eine Aufforderung zum Tanz. Wenn man also partout in Ruhe gelassen werden möchte, mache man es wie die Inder: Man lässt einfach jeden, der einen anspricht, ohne Ansehung der Person links liegen und geht zielstrebig und geschäftig seinen Weg. Nicht ansehen, nicht antworten, ist dann das Verhalten der Wahl. Das hilft, weil es den Leuten zeigt, dass Du hier kein Neuling bist, sondern ein halber Inder.

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