Posts Tagged ‘Kalkutta’

Einmal Kalkutta, nicht zurück.

Wednesday, September 30th, 2009

Das europäische Menschenhirn stellt sich in seiner grenzenlosen Naivität einen Bahn-Ticketkauf in Indien wie folgt vor: Man betritt ein authorisiertes Reisebüro, sagt wann man wohin möchte, in welcher der ungefähr 15 Klassen man reisen möchte und bekommt dann einen entsprechenden Fahrschein ausgehändigt. Einfach, oder?

Nee, nee, so läuft das nicht. Viel zu europäisch gedacht. Die Realität sieht anders aus. Bei meinem ersten Anlauf zum Erstehen des begehrten Fahrscheins rettete ich mich aus strömendem Regen in das trockene Innere des kleinen Reisebüros an der Ecke, trug hoffnungsfroh mein Anliegen vor, woraufhin der Angestellte nach unverständlichem Gemurmel zum Telefon griff und in den Hörer bellte. Kurze Zeit später reichte er mir das schmierige Plastikteil herüber und ich hatte seinen Chef an der Strippe. Er erklärte mir, dass das System leider nicht funktionieren würde – womit er wohl das elektronische Reservierungssystem der indischen Eisenbahn meinte. Ich könne es doch morgen noch einmal probieren – bis dahin solle es wohl wieder laufen.

South Park Street Cemetery, Calcutta

Monday, November 10th, 2008

Ich mag Friedhöfe, vielleicht, weil sie mich an die Vergänglichkeit allen Seins und die Vergeblichkeit unserer Bemühungen erinnern, die Zeit aufzuhalten. An die Vergeblichkeit unserer Bemühungen überhaupt. Der Tod und seine Symbole sind großartige Lehrer: Angesichts des Todes – und wir alle haben diese Krankheit namens Sterblichkeit – bekommen viele Dinge unseres Lebens eine andere Wertigkeit. Das Leben an sich bekommt ein anderes Gewicht, und zwar nicht die Werte, die in unserer Gesellschaft als erstrebenswert gelten, wie Ansehen oder Ruhm, Respekt, Ehre, Achtung, Autorität, Geld und all diese flüchtigen Attribute, sondern Stimmigkeit, Authentizität, von mir aus: Frieden mit sich selbst, im Reinen sein. Und diesen Frieden erlebt man, erlebe ich, bei ganz anderen Dingen, als bei denen, die gesellschaftlich anerkannt sind.

Fotostrecke: A Nightwalk Through Sudder Street

Sunday, November 9th, 2008

Ich wünschte, ich hätte vor drei Wochen in Kalkutta die Zeit gehabt, diese Bilder zu posten – ich hatte sie nicht. Es war die Nacht, nachdem ich im Kalighat-Tempel gewesen war, und die Nacht, nachdem ich das erste Mal Mother Theresa’s Nirmal Hriday betreten hatte. Ich war aufgewühlt, lange, nachdem ich mich von T. und R. nach dem Abendessen verabschiedet hatte. Und so lief ich nicht direkt nach Hause, sondern streifte durch die nächtlich erleuchtete Sudder Street und die Gegend um den ‘New Market‘. Und je mehr ich lief, je mehr ich fotografierte, entdeckte ich mein nächtliches Kalkutta. Ein Kalkutta, das für mich mehr Magie barg, als die sonnenbestrahlte Stadt des Tages, die ich als aufgeräumt empfand, trotz der sterbenden Kolonialbauten; Relikte aus einer anderen Zeit, sterbende Dinosaurier, nur teilweise konserviert und doch bestimmend für das Stadtbild, den Charakter dieser Metropole.

The dignity of dying

Saturday, October 25th, 2008

„It is not how much we do
but how much love
we put into what we do“

Ein Zitat von
Mother Theresa im Nirmal Hriday

Es ist Donnerstag Nachmittag, als ich mich endlich zum Kali Tempel im Süden der Stadt aufmache. Sanftes Licht taucht die Sandsteinhäuser der umliegenden Gassen in Goldgelb und Ocker, Staub tanzt im weichen Sonnenlicht und die ruhigen Gassen atmen Frieden. Ich habe mir den Besuch des bedeutendsten Hindu-Tempels von Kalkutta aufgespart, ich bin so ein Mensch: Saving the best for last.

Das sanfte Gesicht Bengalens

Monday, October 20th, 2008


Kalkutta: ‘Grand Dame‘ aller indischen Städte, gelegen an einem der heiligsten Flüsse Indiens, einem Seitenarm des Ganges, dem Hooghly, voller Prachtbauten der Kolonialzeit, langsam in Würde verfallend, kommunistisch regiert, Heimat für geschätzte 16 Millionen Menschen, Heimat auch für die verstorbene Mutter Theresa, ihre Charity und ihr Sterbeheim, heimliche Kunst- und Kulturhauptstadt Indiens mit Literaturgiganten wie Rabindranath Tagore und Zellulloid-Größen wie Satyajit Ray.

Kalkutta auch, mit ihrem unrühmlichen Ruf, die Ärmsten aller Armen Indiens zu beherbergen, mit ihren Gehsteigen für menschliche Massenlager, jede Straße ein herzzerbrechendes Elendsquartier: „Bakshish, Sister, Bakshish, I need to buy milkpowder for my son, look, he is here, sleeping in my arm!“

Wie soll, wie kann man also 16 Millionen Menschenleben, die Gegensätze dieser Stadt, diesen ständigen Wechsel zwischen Arm und Reich, zwischen Prachtbau und Planenlager auch nur annähernd beschreiben?