Archive for the ‘Daily’ Category

Not for the fainthearted.

Sunday, September 13th, 2009

“Fahren oder Nicht-Fahren?”, das war die Frage, die mir quengelnd in den Ohren lag, als wir aus den großen Panorama-Scheiben unseres Zimmers die düsteren Regenschleier betrachteten, die die Berggipfel verschluckten und Manali in eisige Dauer-Dämmerung hüllten. Der Wetterbericht, den mir die nette Rezeptionistin aushändigte, versprach jedenfalls nicht Gutes für die kommenden vier Tage: Regen, Regen, Regen. Für die Pässe bedeutete das Schneefall; ein Taxiunternehmer, mit dem wir redeten, sprach sogar von der Sperrung des Highways. Nicht umsonst bedeutet der Name des ersten 4000 Meter hohen Passes, Rohtang-La, wörtlich übersetzt, “Haufen toter Körper”, für die vielen Reisenden, die im Laufe der Jahrhunderte auf den eisigen Höhen des Passes erfroren sind. Da oben bist Du auf Dich gestellt, selbst wenn die Präsenz der indischen Armee während der offiziellen Öffnungszeit des Highways von Mitte Juli bis Mitte September ein Minimum an Sicherheit gewährleistet, indem sie in regelmäßigen Abständen patroullieren und Erdrutsche räumen. Wie wichtig das für uns werden würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Stuck.

Thursday, September 3rd, 2009

Wir sind gefahren wie die Teufel: 2400 Kilometer in drei Tagen, das ist verdammt viel für indische Verhältnisse, plus ein Tag in Udaipur, zum Luftholen. Wir wollten Zeit für den Himalaya, Zeit für die Pässe, Zeit für die Weite und die Einöde.

Nun sitzen wir fest, alle Fahrerei umsonst: In Manali hat sich ein Gewitter zusammengeschoben, das seit 15 Stunden eine Regenfront nach der anderen durch das Tal jagt und die Gipfel der umliegenden Berge in graue Schleier hüllt, sofern sie nicht durch krachende Blitze erhellt werden.

Die steil abfallenden Dorfstraßen haben sich in Sturzbäche verwandelt, seit unserem Spaziergang nach Alt-Manali bin ich klatschnass. Nur die Affen, die munter von einem Baumwipfel zum anderen turnen, und wummernd auf den Blechdächern landen, scheint das kalte Nass nicht zu stören: In Gruppen jagen sie durch die Stadt und legen sich gern einmal mit den Straßenhunden an, die zusammengerollt auf den kleinen Holzveranden der einfachen Hütten vor dem Unwetter Schutz gesucht haben: Alles an ihnen, von der Nase bis zur eingerollten nassen Schwanzspitze sendet eine kollektive Message: Hey, man, THIS IS A FUCKING DAY in a dog`s life!

Heading North

Wednesday, August 26th, 2009

Endlich. Schon seit vielen Jahren wollen wir in den Himalaya, am kommenden Samstag geht es los: knapp viertausend Kilometer oneway durch fünf Bundestaaten werden wir in einem geländegängigen Fahrzeug zurücklegen. Wir werden von Maharashtra über Gujarat, Rajasthan, Haryana und Himachal Pradesh fahren, bevor wir zum eigentlichen Ziel unserer Reise kommen: Das dreieinhalb tausend Meter hoch gelegene, buddhistische Leh im nördlichsten Bundestaat Indiens, Jammu & Kashmir, im Herzen des Westhimalayas.

Dabei wird uns unser Weg über die zweithöchste befahrbare Passstraße der Welt führen, den 5300 Meter hohen Tanglang-La, der Teil des Manali-Leh-Highway ist, für den wir voraussichtlich zwei Tage brauchen werden:

Auch wir hätten die Tour gern mit Motorrädern gemacht – allerdings hat meine angerissene Achillessehne dies Abenteuer vereitelt: Man kann ein wegrutschendes Motorrad schlecht mit einem kaputten Fuß auffangen, die warnenden Worte meines Arztes eingedenk.

Indien ist nicht gleich Indien.

Saturday, August 22nd, 2009

Ich musste raus. Raus aus Pune. Keine 5,5 Millionen Menschen mehr auf den Straßen, keinen Smog, keine Atemmasken, kein Dorabjees, kein Dighi-Mountain, keine langen Hundespaziergänge, keine Schweinegrippen-Schlagzeilen mehr und kein Schweinegrippen-Virus. Aus. Ende. Vorbei. Ich bin weg.

Am letzten Dienstag nahm ich einen Flieger nach Rajasthan, nicht ohne vorher noch einmal in epischer Breite den Smog Mumbais in mich aufzusaugen und meinem Schicksal zu danken, dass ich nicht vier Stunden jeden Tages in den stinkenden Diesel-Abgasen dieses Superlativ-Molochs zu verbringen habe, nur weil ich zur Arbeit will. Obwohl ich Mumbai klasse finde. Interessant. Spannend. Alles andere als provinziell.

Nur eine Stunde später wurde ich in Udaipur ausgespuckt, diesem so geschickt als Venedig Indiens vermarkteten Fleckchen Erde mit seinen gerade einmal 400.000 Einwohnern, sauberer Luft, klarem Himmel (kein Smog!) und seinen Palästen aus 1001-Nacht, nein, natürlich aus der Maharadscha-Zeit im 17., respektive 18. Jahrhundert.

Notiz: Sterben in Indien.

Monday, August 17th, 2009

Wo wir gerade beim Sterben sind: Heute, seit schätzungsweise drei Wochen, machte die TOI das erste Mal NICHT mit der Schweinegrippe auf, sondern mit einer anderen, zugegebenermaßen traurigen Nachricht:

Indien ist nach einer Statistik der WHO das Land mit den meisten Verkehrstoten – 2006 (die neuesten verfügbaren Zahlen) starben mehr als 114.000 Menschen (zum Vergleich: knapp 90.000 in China) auf den Straßen Indiens, nicht mitgerechnet diejenigen, die erst ein paar Stunden nach Einlieferung in das nächste Krankenhaus den Löffel abgaben – die Angabe bezieht sich nur auf die direkt am Unfallort Verstorbenen. Ich denke, da kann man dann locker noch mal das Doppelte addieren, um an eine realistische Zahl zu gelangen.

Dabei führen die Länder Andhra Pradesh und Maharashtra die Liste der “Killerstaaten” an – die Ursachen liegen vor allem im Schnellfahren, möglichst betrunken und unangeschnallt, und, was Motorräder angeht: Keine Helme, aber zwei Kinder vor dem Bauch, natürlich auch ohne Helm.

Pune in Angst. Update.

Tuesday, August 11th, 2009

Pune dreht durch. Ich hätte nie gedacht, dass ich außerhalb Japans einmal so viele Atemmasken sehen würde, wie die, die jetzt das Straßenbild der Stadt prägen: grüne Chirurgenmasken, gelbe, blaue, rote Dreiecksmasken, die aussehen wie vertikale Entenschnäbel, die ganze Bandbreite vorstellbarer und unvorstellbarer selfmade-Masken, Halstücher als Mundschutz oder alle drei Varianten übereinander: Pune ist fest in der Hand der Schweinegrippe, psychologisch betrachtet jedenfalls.

Die Angst geht um in der Stadt und wird munter gefüttert mit der ewig wiederkehrenden Berichterstattung über das Virus: Seit zehn Tagen titelt die Times of India Pune mit nichts anderem als den neuesten Infektionszahlen, den hilflosen Versuchen hysterischer Bürger, die zu Tausenden täglich an den hoffnungslos überforderten Screening-Centers Schlange stehen, um sich auf das Virus testen zu lassen, und den Zuständen in den staatlichen Hospitälern, die bislang das alleinige Recht hatten, H1N1-Patienten in Zwangs-Quarantäne zu nehmen.