Archive for the ‘India rocks’ Category

schwerelose Ewigkeit

Tuesday, April 28th, 2009

Wenn Musik ein Roadmovie wäre, dann sicher diese: Manmohini Morey gesungen von Vijai Prakash aus Juvvraaj – ein Film des letzten Jahres, den ich versäumt habe, anzusehen, aber der Film ist nicht wichtig. Die Musik ist es, ist das, was ich mit Bilderbuch-Indien verbinde, mit langen Fahrten entlang der Staubstraßen Rajasthans, mit schlanken Gestalten in roten Saris, die wüstenverweht hinter einer Dünenkuppe auftauchen, Wassergefäße auf dem Kopf, sengende Hitze und endlose Weite… Es gibt Musik, die eine zeit- und raumlose Qualität vermittelt.

Es ist sonderbar, dass ein einziges Lied in der Lage ist, einen kompletten Affen aus mir zu machen: Höre ich Manmohini im Auto, breite ich in der Hitze des Tages meine Arme aus und erkläre mich mit allem einverstanden: Bettler, Roadside-Elend, 40 Grad Plus, Leben und Sterben im Allgemeinen – ich höre das Stück und surfe mit dem Slipstream der stinkenden Rikshas zu meinem Ziel und Pune gleitet in einem Kaleidoskop des Lebens an mir vorbei…

Ninjas für die Liebe

Saturday, February 14th, 2009

ein Kampfkünstler verteidigt Liebespaare

Schlechte Aussichten für engstirnige Moralapostel: In einer beispiellosen Aktion beschützt am heutigen Valentinstag ein Geschwader von Liebesengeln die Liebespaare von Neu Delhi vor Übergriffen von selbsternannten Sittenwächtern. Der Trick dabei: Alle Teilnehmer der Aktion sind Kampfkünstler, die meisten von Ihnen tragen einen schwarzen Gürtel. Mindestens 10 solcher Liebesengel-Gruppen werden die typischen Treffpunkte von Liebespaaren “bewachen” – moralsaure Aggressoren werden nötigenfalls flachgelegt, allerdings nicht im Bett.

Ravi Kalvar, der Gründer der ‘Save the Earth’ Foundation, richtet sich mit der Aktion vor allem gegen die Shri Ram Sene, die einen Boykott des Valentinstags von den Mädchen und Jungen der Stadt gefordert hatten: “Das sind doch kranke Leute, vereint durch ihre Frustration und Eifersucht. Der Valentinstag ist ein Tag, an dem man seine Zuneigung zeigen darf und sollte und zwar auch einem selbstgewählten Partner. Dies ist ein freies Land und wir lassen uns weder diese Freiheit noch ein Recht auf freie Partnerwahl durch eine selbstgestrickte, Taliban-orientierte Organisation nehmen “, erklärte er der Times of India.

The colours of my mood

Wednesday, February 11th, 2009

Es dämmert in Pune. Gerade habe ich unseren Besuch verabschiedet, die Tür fällt ins Schloss und ich bin wieder allein. Ich öffne die Flügeltür auf den kleinen Treppenabsatz, die sich gen Süden öffnet, die Sonne ist längst hinter der Bauruine zur linken Seite unserer Wohnung verschwunden, und schaue in den Abendhimmel, der zartblau die Nacht einläutet. Ich sehe die Schwalben, die kreisend ihre letzte Abendrunde drehen, höre die Schwingen des Adlers, der, mit einem Stöckchen im Schnabel, den für heute letzten Baustein zu seinem Horst in dem großen Eukalyptusbaum unseres Gartens hinzufügt.

Kalu knabbert sanft an einem Stöckchen auf dem Rasen, die Waschmaschine rumpelt leise und dienstfertig in der Kammer neben dem Arbeitszimmer und ich genieße die ungewöhnliche Stille dieses Moments – die Kreissägen von der Baustelle nebenan schweigen, kein nahes Hämmern oder Hundegebell durchbricht die akustische Hintergrundkulisse aus fernen Verkehrsgeräuschen der Stadt – Pune atmet für mich hier und jetzt Entspannung und Frieden.

Arizona? Afrika? Indien?

Sunday, December 28th, 2008

blick auf steppenlandschaft und akazien

Freie, unbebaute Natur hat in Indien Seltenheitswert, jedenfalls in Pune und Umgebung. Die meisten unbebauten Landstriche sind nicht etwa Äcker oder andere Anbauflächen, sondern eingezäunte und bewachte Militärgebiete, in denen einem auch gern mal die Granaten um die Ohren fliegen. Neulich fuhr ich nach Alandi – einem kleinen Pilgerort nördlich von Pune, als es 50 Meter rechts neben der als ‘Highway‘ bezeichneten kleinen Landstraße erst pfiff und dann laut schepperte. Mitten in der steppenartigen Graslandschaft stiegen Staubwolken gen Himmel.

Shabundin rollte mit den Augen und meinte nur lakonisch: “Ooch, das sind doch nur Granaten, das machen sie hier immer.” Irgendwo müsse man schließlich trainieren für den Anti-Terrorkampf oder die Grenzauseinandersetzungen mit Pakistan.

Die Detonationen gefielen mir nicht, wohl aber das Gebiet, in dem die Army Krieg spielt. Also machten U., Kalu und ich heute einen Ausflug in das sonntäglich verwaiste Militärgebiet, zu dem ich mir einen unbewachten Zuweg gemerkt hatte.

Danke, Indien!

Tuesday, December 23rd, 2008

Indien – Du bist ein störrischer Esel: Man kann an Dir ziehen und zerren und Du bewegst Dich nicht vom Fleck. Es sei denn, Du willst. Du bist durch und durch eigensinnig, hast Deine so geliebten ‘Rules and Regulations‘ und Du hast eine Million Wege, diese zu umgehen.

Du kannst einen in den Wahnsinn treiben, wenn man etwas bewegen möchte und das möglichst schnell. Effizienz ist in Deinen Genen nicht vorgesehen. Genauso wenig wie Gründlichkeit, oder Genauigkeit. Und auch Pünktlichkeit ist eher Deine Sache nicht. Aber vergessen wir mal diese langweiligen europäischen Tugenden, so sie denn welche sind, und wenden uns einer viel humor- und liebevolleren Art zu, Deine Eigenheiten zu betrachten:

Es gibt ein großartiges Video mit Bollywood-König Sharukh Khan, das all Deinen Eigensinn, Deine Doppelbödigkeit, Deine Ambitionen, Deinen Patriotismus und Deine Bauernschläue auf die Schippe nimmt, und das sich lohnt, genau betrachtet zu werden, denn dann kapiert man vielleicht ein bisschen, wie Du tickst: Phir Bhi Dil Hai Hindustani – Mein Herz schlägt indisch.

Die Schönheit des Makels

Monday, December 22nd, 2008

Indien ist voller schöner Dinge.

Dieses Kunstwerk erstand ich neulich, als ich noch keinen kranken Hund hatte und noch das Haus verlassen konnte 😉 bei einem Basar fliegender Händler aus anderen Staaten, insbesondere Rajasthan. Witzig fand ich, dass der Händler überhaupt nicht begreifen konnte, was ich an diesem alten Tontopf so schön fand: Er gab mir die Vase mit verächtlicher Geste, war doch die Glasur nicht ebenmäßig, und an einer Seite verbeult war sie auch, die Vase, nicht die Glasur.

Ich unterließ es, ihn aufzuklären, wieviel Schönheit nach europäischen Maßstäben hier vor mir stand und lächelte in mich hinein. So unterschiedlich können die Auffassungen sein!

Ich war glücklich: Hätte ich so ein Stück suchen wollen, wäre ich wohl erst in Europa, und da auch nur mit Glück, in einer Galerie für alte japanische Töpferkunst fündig geworden – für ein Hundertfaches des indischen Preises.