Ich habe fertig

Es gibt Tage, an denen sollte man am besten nicht aufstehen. Gestern war so ein Tag.
Es begann damit, dass Wondana, meine Perle, mal wieder um 8.00 Uhr morgens in der Tür stand. Nun könnte man meinen, dass daran ja grundsätzlich nichts auszusetzen sei. Richtig. Trotzdem: Wir hatten ursprünglich vereinbart, dass sie um 9.30 Uhr mit ihrer Arbeit beginnt und mir dann bis 12.30 Uhr zur Verfügung steht. Die gegenwärtige Realität sieht anders aus: 8.00 Kommen, 9.30 Uhr Gehen. Der Unterschied?
Ein gewaltiger: Weil U. und ich nämlich zu dieser Zeit aufstehen, nackt und blind wie die Maulwürfe im Haus herumlaufen und nach unseren Klamotten suchen oder andere Dinge machen, die meine Perle einfach nichts angehen, zum Beispiel frühstücken. Wir mögen unsere Privatsphäre. O.K. Ich rief Somar an, the one-and-only-Frauenversteher und Freund, damit er dolmetschte.

Seine raue Stimme sagte mir, dass er a) eine lange Nacht hinter sich hatte
b) diese auch nicht trocken war und c) er auch nicht wirklich wach war, vermutlich noch nicht mal aufgestanden. Inder stehen nicht gern früh auf, 8.00 Uhr ist eine Zumutung (ganz meine Meinung), nur meine Perle tickt da anders. Ich reichte weiter, er verhandelte.

Dann die ganz klare Ansage, O-Ton-Wondana: Sie hat einen neuen Job. Vormittags. Wenn ich wolle, dass sie für mich weiterarbeite, dann müsse ich ihr frühes Kommen in Kauf nehmen. Sie müsse ja schließlich beide Jobs schaffen. Und wenn mir das nicht passe, so könne sie ohne Probleme zum 1. August aufhören, sie fände schon einen neue Arbeit, da sei sie sich sicher. Und wenn sie sich zwischen den beiden Jobs entscheiden sollte, müsse sie jetzt leider gehen, denn bei der anderen Stelle bekäme sie außer ihrem Gehalt auch noch Essen und Fahrtgeld, das sei ihr wichtiger. Ich merkte, wie mir langsam der Unterkiefer entglitt. Das ist O-Ton Wondana? Meine Wondana, die ich an meinen Tisch gebeten habe, der ich Sandwiches gemacht habe, mit der ich zusammen Wein getrunken habe, und Pizza gegessen und Partys gefeiert? Die Wondana, die ich immer als Freundin, als Kumpel, als Partner behandelt habe und nicht wie ein Stück Dreck, wie es manche (viele?) Inder tun? Meine Wondana sagt so etwas? Meine Fresse, hab ich mich getäuscht!

Das tat weh. Denn ich dachte bisher, dass Wondana eher so eine Art Freundin sei, auf jeden Fall eine Vertraute, jemand, dessen Loyalität ich in der Vergangenheit gewonnen hatte, einfach, weil ich nicht eine ‘Madam‘ war, sondern sie teilhaben ließ an allem; sie als Gleichberechtigte behandelte. Falsch gedacht! Loyalität scheint eine Frage des Geldes zu sein in Indien, nicht irgendwelcher nutzloser Gefühle, oder so. Aua.

Das war der Guten-Morgen-Kuss. Dann 10.30 Uhr BSNL-Headoffice im Telecom-Tower, nicht da, wo ich bisher immer war, sondern right in the heart of it, da, wo all die Manager in den hohen Etagen sitzen, der Server-Raum ist und die vielen Millionen Meter rot-weißer Käbelchen zwischen den turmhohen Port-Regalen in den Keller-Katakomben verlegt sind, die ich jetzt auswendig kenne, zumindest den Port, der jetzt der meine ist. Ich könnte jetzt stundenlang darüber schreiben, wie Mrs. ‘Subdivisional Engineer‘ Madihalli und ihr Team aus acht Leuten zwischen den Stromausfällen steckten und stöpselten um endlich einen funktionierenden Port zu finden, welcher Hilfsmittel sie sich bedienten (geflickte Kabel und ein altes Telefon) und wie die vergilbten 12“- Monochroms aussahen, die in dem engen, dunklen, fensterlosen Schlauchraum standen, von dem aus die Kundenbeschwerden verwaltet wurden.

Ich werde es nicht tun. Nur soviel sei gesagt: Es ist ein Wunder, dass da überhaupt etwas geht.

Drei Stunden und viele durchdiskutierte Portwechsel später schickte man mich nach Hause. Mein Internet werde jetzt bestimmt funktionieren. Zu Hause angekommen liefen nicht nur die Rechner nicht im Netz, sondern jetzt war auch das Festnetz tot. Ich machte mir einen Gin-Tonic und legte mich neben mein verstorbenes Telefon. Fortsetzung folgt.

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2 Responses to “Ich habe fertig”

  1. Birgit says:

    …..und was ist nun mit “Deiner Perle” ?! 🙂 – Mein Süßen, die “Geschichten” sind wunderbar!!! – Aber, Du hast Dich von dem Internet “ablenken” lassen……. – sei umarmt, birgit

  2. […] mit den diensthabenden Ingenieuren, endloses Herumstehen in Port- und Serverräumen, wie hier und hier bereits vor einem Jahr erlebt. Warten. Und Warten. Den Straßenbelag zwischen Bund Garden und Camp […]