Another Welcome (and Goodbye).

Ach, wie ich Indien liebe!

Ganz besonders fällt mir das auf, wenn ich verschwitzt und übernächtigt um 3.50 Uhr aus dem Flieger in die Arme der absurden indischen Bürokratie kippe, die sich zur Vermeidung der Influenza einen besonderen Spaß ausgedacht hat: Alle Passagiere werden noch vor der Immigration abgefangen und einer Zwangsuntersuchung unterzogen: Zwei dickwangige, rundbäuchige Gesundheitsbeamte thronen feixend hinter zwei provisorisch aufgebauten Tischen unter einem Transparent (“medical examination”) und genießen es sichtlich, den Passagieren von ihren Assistenten schmuddelige Thermometer in die Ohren stecken zu lassen: Wer Fieber hat, darf nicht passieren, sondern landet im Gefängnis, das sich als Quarantäne-Station der staatlichen Hospitäler tarnt: Gehen Sie direkt ins Gefängnis, gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie nicht 4000 Mark ein. Los. Stopp. Schade. Vorbei. Das Grauen wartet am Airport.

Glücklicherweise hatte ich gestern kein Fieber, trotz meiner fetten Erkältung. Gottseidank. Sonst hätte sich den Beamten sicher eine Show geboten: Europäerin erleidet hysterischen Anfall, Flughafenverkehr für eine Stunde gesperrt. Oder so ähnlich.

Nach Passieren des ersten Hindernisses dann die zweite Schikane: Ein schnauzbärtiger Immigrationsbeamter verlangt mein Residential Permit, was ich ihm bereitwillig gebe. Dabei mache ich allerdings einen kapitalen Fehler, aus seiner Sicht: Ich habe nur eine Kopie bei mir, er verlangt das Original.

Das ist witzig, wenn es nicht 4.30 Uhr morgens wäre und ich mir nicht die Nacht im Flieger um die Ohren geschlagen hätte, denn faktisch verlangt er von mir ein Wunder: Wie der kleine Wichtigtuer weiß, war ich seit meiner Ausreise nicht wieder in Pune, denn ich war in DEUTSCHLAND, wie er zweifellos aus meinem Pass ersehen kann. Das Original des RFO hingegen liegt in der Boat Club Road. Das hatte ich ihm bereits bei meiner Ausreise gesagt. Hätte ich es also während meines Aufenthaltes in Deutschland dahin zaubern sollen?

Ich frage ihn das, aber bekomme, wie nicht anders erwartet, keine Antwort. Logik ist des Inders Sache nicht. Er hätte mich ausreisen lassen können, sagt er dann, aber einreisen? Impossible!

“O.K.”, sage ich, “dann fahren Sie doch in die Boat Club Road und holen Sie sich mein RFO, ich gebe Ihnen gern meine Schlüssel, wenn Sie wollen, nur begleiten kann ich Sie natürlich nicht.” Mein Adrenalinspiegel ist mittlerweile gewaltig gestiegen, das Ding fechte ich mit ihm durch, mein Ton ist auch schon erheblich lauter geworden, der Rest des Fliegers und die versammelte Airportstaff glotzen sich die Seele aus dem Leib.

Zwei Schalter daneben ist U. gerade abgefertigt worden – auch er hat nur eine Kopie seines RFO´s bei sich, kein Problem, wie immer. Bisher. Schließlich ist das Papierchen so etwas wie ein kleines Heiligtum hier in Indien und muss gehütet werden: Es kann Monate dauern, das Dokument wiederzubeschaffen und kostet etliche tausend Rupien Bakshish, will man es noch ZU LEBZEITEN erhalten. Deswegen: Schublade statt Fluggepäck, Kopie statt Original. Doch davon will der Uniformträger nichts wissen. Erst nachdem wir uns massiv bepöbelt haben und U. die Einschaltung eines Firmenanwalts androht, rückt die Zecke meinen Pass heraus: Ich darf den heiligen Boden dieses Landes küssen, Indien hat mich wieder.

Drei Stunden Ruhen und eine Dusche später steht ein zerknirschter Shabundin mit gesenktem Blick vor der Tür. Ob er seinen Job behalten dürfe?

Ich bedauere. Und verneine. Ganz langsam und eindringlich erkläre ich ihm noch einmal, dass die Firma es nicht erlaubt, ihn weiter zu beschäftigen, dass ich ihm nicht mehr trauen könne und dass es ja offensichtlich schon das zweite Mal gewesen sei, dass er die Karre für seine Lustausflüge verwendet hätte, Schäden und gegenteilige Versprechungen, die man auch Lügen nennen könnte, inklusive. Ich sage ihm, dass es MIR leid tut, ihn zu verlieren, schließlich habe ich ihn gemocht und so habe ich ihn auch behandelt. Und er weiß das. Aber er ist zu weit gegangen, hat die Karre sprichwörtlich in den Dreck gefahren. You messed it up, Shabundin.

Auf der anderen Seite hängende Ohren, aber kein Einspruch. Langsam wendet er sich ab und ich schließe leise die Tür hinter ihm, ein anderes, kleines Kapitel unseres Lebens in Indien schließt sich gerade und ich wäre sentimental, wenn ich nicht auf der Rücksitzbank auch noch Schamhaare gefunden hätte, das macht die Sache leichter und legt die Vermutung nahe, dass unser Vehikel entweder zu einschlägigen Zwecken vermietet wurde oder dem Ehebruch diente. Beide Varianten nicht schön und nicht selten.

Indien, Du bist ein merkwürdiges Land.

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3 Responses to “Another Welcome (and Goodbye).”

  1. anu says:

    willkommen daheim. Bloede Sache mit dem Fahrer. Ich kann dich gut verstehen, das ist Indien. Wir haben auch so Leute die immer mal wieder gehen und irgendwann wieder kommen, weil sie merken wie toll es war so einen guten Job zu haben. Bis sie wieder Sch….. bauen. Ist immer bloed wenn man sein Herz an jemanden haengt und so etwas wie Mitgefuehl und Verstaendnis fuer seine Leute entwickelt. Das tut nicht immer gut!

    lg
    anu

  2. Daniela says:

    Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Habe deinen neueren Eintrag zuerst gelesen und nicht gewusst, dass sich S. doch schon mal entschuldigt hatte. Aber igitt, Schamhaare? Das ist ja ekelhaft. Den Wagen würde ich reinigen lassen. Pfui teufel. Wer weiß, was schon alles Flüssiges in den Bezug reingezogen ist. Brrrrr.

    Aber die Flughafengeschichte hingegen war lustig zu lesen (sicher nicht lustig zu erleben). Wie schön, dass U. problemlos durchkam und du angehalten wurdest. In solchen Momenten bin ich so unglaublich froh, die Landessprache nicht zu sprechen, denn sonst hätte ich mich schon um Kopf und Kragen geredet. 😉

    Ich hoffe, du konntest in der zwischenzeit wieder Entspannung finden… irgendwie.

    LG
    Daniela

  3. jules says:

    @ anu: Ich würde nicht mal sagen, dass ich mein Herz an Shabundin gehängt habe, es ist eher so, dass ich mich wie die Mutter eines kleinen Jungen fühle, der mal wieder Mist gebaut hat. Und ich sehe seine Schwierigkeiten, mit dem Leben zurecht zu kommen eher als das, was er verbockt hat. Ich glaube, man könnte diese Haltung auch einfach als Mitgefühl bezeichnen. Ich hoffe, er hat gelernt.

    Geht´s Euch gut in Udaipur? Mehr Wasser als hier?

    LG!

    @ Daniela: Zum Glück haben wir Lederbezüge ;-)) Und: ja, es geht schon wieder!

    LG ins regnerische Mumbai,

    J.