Wie heißen die einschlägigen Horrorfilme noch?

Komisch, wie sehr man abstumpft. Vor einem Jahr habe ich mich noch sehr darüber aufgeregt, wenn das Blut aus der Zeitung in mein Hirn tropfte, heute lese ich das Zeug, gucke leicht angewidert zur Seite, blättere um, und zucke mit den Schultern übergebe mich. Ich muss aufpassen, dass das nicht zur Gewohnheit wird, sonst werde ich noch anorektisch.

Erst jüngst ist wieder ein Fall in Orissa (muss eine besonders mittelalterliche Gegend sein) bekannt geworden, in dem ein indischer Bauer seine zehnjährige Enkelin in Abwesenheit der Familie geköpft hat, um ihr Blut mit der Saat zu mischen – als segenbringendes Ritual für eine reiche Ernte, ausgesät an einem besonders glückverheißenden Tag. Laut der Süddeutschen hat der Mann inzwischen gestanden und ist in Haft. Macht seine Enkelin nicht wieder lebendig.

Damit können die Straßenmorde, über die hier in Pune täglich berichtet wird, am Wochenende waren es immerhin zwei pro Abend, nicht konkurrieren: Da werden Lastwagenfahrer in ihren Kabinen im Schlaf erschlagen, oder mittel- und obdachlose Gelegenheitsarbeiter, die es sich nachts auf einer Bank hinter der Swargate-Busstation gemütlich gemacht hatten. Warum? Keiner weiß es.

Und dann haben wir natürlich noch die Rubrik der häuslichen Gewalt, die auch nicht immer überlebt wird, vor allem nicht, wenn es sich um Mitgift-verursachte Streitigkeiten handelt, dort ist allerdings das Motiv bekannt.

Um das Ganze hier nicht zu deprimierend werden zu lassen, kann ich aber von dem Fall einer jungen schwangeren Frau berichten, die es per einstweiliger Verfügung geschafft hat, sich zumindest zeitweilig die lieben Schwiegereltern und ihren ebenso liebenden Ehemann vom Hals zu schaffen: Sie dürfen das Haus der Antragstellerin nicht mehr betreten, nachdem sie sie nachweislich gewaltsam zur Abtreibung haben zwingen wollen: Die Eltern der Braut waren offensichtlich nicht gewillt, die im Nachhinein geforderten 10 Lakh Rps. (= 1 Mio. Rupien = knapp 16.000 Euro) Mitgift zu zahlen, die junge Frau musste büßen. Hat sie aber nicht. Zumindest vorübergehend nicht, und nicht mit ihrem Leben. Immerhin etwas.

P.S.: Ich werde jetzt aufhören damit, indischen Zeitungsdreck zu versprühen. Es ist nicht das Indien, das ich erlebe, in dieser Gegend (und in 90 Prozent der Gegenden) geht es zivilisierter zu. Und das ist gut so. But it makes you think, woman.

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7 Responses to “Wie heißen die einschlägigen Horrorfilme noch?”

  1. oh mein gott, das klingt wirklich wie ein splatter-movie (meintest du den begriff?)
    darüber darf ich gar nicht so lang nachdenken, dann kann ich nicht mehr ruhig schlafen…

  2. jules says:

    Ja, genau den Begriff meinte ich. Danke für die linguistische Hilfe!

    LG ins hoffentlich frühlingswarme D,

    J.

  3. Teodoraa says:

    habe erst kürzlich gelernt, dass Horrorfilme nur eine besondere Art der Gesellschaftskritik darstellen und Tabuthemen thematisieren, die nur im Gewand des Horrorfilms geduldet werden

    Orissa ist glaube ich, generell ein Staat, der selbst für indische Verhältnisse, mit hoher Analphabeten Quote, vielen Kindern und viel Armut zu kämpfen hat… hatte auch schon von weniger blutigen Ritualen gelesen, wie z.B. dass ein kleiner Junge mit einer Hündin verheiratet wurde, das diente seinem Schutz…… aber dennoch,,, man kann sich sicher sein, dass der Bauer nicht daran dachte, den Enkel zu versäen… aber die Enkelin war kein Problem.. 🙁

  4. jules says:

    Hallo Teodoraa,

    ich glaube, dass Du leider, leider, Recht hast. Da schüttele ich mich und bocke, verfalle in Schimpf- und Hasstiraden und ändere – nichts.

    Es ist zum Verzweifeln mit diesem Land, kann es sein. Vielleicht sollte ich einfach mal für eine Weile die Tageszeitung abbestellen, das würde vielleicht helfen. Aber ist das eine Alternative?

    LG

    Julia

  5. Steffi says:

    Die Tageszeitung für eine Weile abzubestellen oder einfach zu ignorieren finde ich einen guten Versuch. Ich ertrage auch gelegentlich die Nachrichten in Radio oder TV nicht mehr und schalte dann gezielt weg. Ich kann es nicht ändern, also muß ich für mich selbst sorgen und mich gelegentlich vor diesen Dingen schützen. Solang man das nicht immer tut, finde ich es ok.

    Ganz liebe Grüße,
    Steffi

  6. tomX says:

    Wie wann sieht, life ist the real horror!

  7. Daniela says:

    Sehr traurig!
    Orissa: was will man schon erwarten von einem Staat, in dem sich die Menschen nicht mal den staatlich subventionierten Reis (Rs.2/kg) leisten können? Wer so viel Hunger hat, der greift sicherlich auch mal zu verzweifelten Maßnahmen, um die Ernte zu garantieren. Vielmehr ist es faszinierend, wie wenig in Indien passiert – gemessen am Notstand, der leider größtenteils vollkommen ungesehen durchgeht.

    LG
    Daniela