Die indische Frau – das Vielfältigkeitswunder

eine lächelnde Hausfrau in der Küche arbeitet am Computer

Seht Euch das an, seht es Euch ganz genau an (Doppelklick aufs Bild). Das Bild der modernen indischen Frau, die da so glücklich lächelnd in der Küche steht: Inmitten von Gemüsebergen schwingt sie lässig das Messer und macht gleichzeitig online-Überweisungen zwischen Möhrchen, Paprika und Tomatenstückchen. Überprüfen wir das Werbefoto einer online-Dienstes mal auf Lebensnähe:

Erstens: Sie steht in der Küche, also da, wo ein liebendes Weib und eine gute Mutter in Indien hingehören. Die Küche ist ihr Reich; natürlich steht Frau Saubermann da und nirgendwo anders. Nicht etwa in einem eleganten Arbeitszimmer, wo man online-Aktivitäten ja auch erledigen könnte. Aber dann fehlte natürlich das Rollenmodell für die breite Masse. Ergo musste es die Küche sein. Ich schätze, das gibt 100 Punkte für den Realitätsbezug.

Zweitens: Sie ist natürlich gertenschlank, trotz aller Kochkünste. Wundert mich, dass das nicht von vielen Inderinnen als Affront empfunden wird. Die Realitäten sehen bei verheirateten Paaren nämlich häufig anders aus. Das bewerte ich lieber nicht, ich will noch ein bisschen leben.

Drittens: Sie trägt ihr langes Haar offen und ist westlich leger gekleidet, dennoch züchtig. Ihr steht kein Schweissperlchen auf der Stirn und man kann sie jederzeit vorzeigen, falls die Eltern zu Besuch kommen. Hmmm?

Viertens, und das ist die Frechheit, bekommt sie in dieser Werbeanzeige auch noch die Aufgabe des Steuerzahlens per Rechner aufs Auge gedrückt: In der einen Hand das Küchenmesser, in der anderen den Computer, damit Pascha Mann sich um gar nichts mehr kümmern muss. Das alles erledigt sie wohlgelaunt und lächelnd wie eine gute Fee, links das Messer, rechts die Tastatur, auch das allerdings lebensnah multitask-fähig.

Mich wundert nur, dass sie nicht noch gleichzeitig den Junior auf dem Schoß hat. Aber vielleicht ist das auch ganz gut so, denn man weiß ja nie, wohin bei all den gleichzeitigen Aufgaben mal ein Messer abrutschen könnte. So trifft es im Zweifel nur die Laptop-Tastatur und mit Glück die return-Taste: Dann ist auch die eben fertiggestellte Überweisung losgeschickt und es geht zurück zu den Möhrchen.

Mein Gott, wie unsere stets adrette Doris Day in den alten US-Schmachtfetzen der 1950er-Jahre, die auch Sekretärin und Küchenfee zugleich war. Nur eben Indien, 2009. Manche Dinge ändern sich eben nie.

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10 Responses to “Die indische Frau – das Vielfältigkeitswunder”

  1. sarangiji says:

    da kann ich nur sagen: Klassenziel erreicht! Die Werbung heutzutage muss nicht logisch sein, sondern ein Hingucker. Du hast hingeguckt und sogar kommentiert.
    Viele gucken hin und das Unterbewußtsein registriert das Logo, auch wenn sie sagen: so ein Quatsch, die Tastatur wird ein perfekter Nährboden für alle Arten von Keimen. Das kann nur eine expat-Frau sein, die da steht.
    Sicher ist es auch ein joint venture der Regierung und der Bank of India, dass die Leute erinnert werden, ihre Steuern zu zahlen.
    So wie bei uns: ELSTER-Formular verwenden! Spart dem Staat Kosten.
    Naja, hoffentlich hast Du Deine Steuern bezahlt – aber eben höchstwahrscheinlich nicht mit sbi e-tax?

    Andreas

  2. Daniela says:

    Ich schaetze, sie ist eine arbeitende Frau, sonst muesste sie ja schliesslich keine Steuern zahlen. Da ist es sogar fortschrittlich, eine Frau genommen zu haben anstatt die ewigen Maenner, die sonst Steuer-Werbespots zieren. Ausserdem kann sie mit einem PC umgehen und ist modern. Kochen muss sie immer, egal ob sie arbeitet oder nicht. Und beim indischen Fertigessen (aechz!!!!) ist das ja nur recht und billig. Ich schaetze mir ist schon klar, was du eigentlich ausdruecken moechtest, aber wenn du diese Werbung mit indischen Augen betrachtest, erscheint sie regelrecht modern: westlich gekleidete, arbeitende, PC-faehige Frau. Das ist wirklich nur was fuer 2009.

    LG
    Daniela

  3. Steffi says:

    Genau so blöde Werbung wie bei uns. 😉
    Vermutlich zahlt sie die Steuer von ihrem eigenen Konto, welches sie ohne Probleme auf ihren eigenen Namen eröffnen konnte….

  4. tomX says:

    Vielleicht ist es aber doch eine mit drei Michelinsternen dekorierte indische Starköchin, die frisch aus der TV-Studiomaske vor der Kamera die neusten lukullischen Rezepte downloaded, diese sogleich für die mit Flatscreens ausgestatteten Haushalte der gehobenen indischen Mittelschicht realitytvlike live zubereitet und nebenbei noch die indischen Steuereintreiber mit digitalem Bakshish “versorgt”.

  5. Kerstin says:

    Wie Julia schon angedeutet hat, erinnert mich persoenlich an die deutschen Werbespots der 50iger Jahre, als die Frau auch adrett und fleissig den Haushalt und alles andere mit Links schmiss und dabei natuerlich noch laechelte, gut aussah und gut roch, logisch:-) Nur ist das eben 50 Jahre her….

    Aber auch das, was Daniela sagt, stimmt. Aus indischer Sicht sehr modern, sie “darf” all diese Dinge selber erledigen, braucht keine Maid zum Kochen, braucht keinen Sari tragen und keinen Mann, der sich um die finanziellen Dinge kuemmert, ein Allround-Talent sozusagen. Und zum Thema Kinder, vielleicht gibt es noch keine oder eben doch eine Maid, die sich um dieselben kuemmert;).
    Und zumindest hat sie die Finanzen im Griff, was beim Alkohol-Konsum mancher indischer Maenner wohl auch besser so ist.

    LG
    Kerstin

  6. admin says:

    Ich weiß nicht, ob das eine arbeitende Frau ist: Ich habe es eher so gedeutet, dass die Dame neben dem modernen Haushalt auch noch die Buchhaltung per PC aufs Auge gedrückt bekommt und die Steuern für die Familie zahlt, respektive für ihren Mann.

    Aber vielleicht habt ihr recht, und sie ist eines der neuen, gutverdienenden Single-Exemplare, die berufstätig sind und sich am Abend noch was kochen und nebenbei ihre eigenen Steuer-Geschichten erledigt. Aber würde sie dann nicht eher Essen gehen statt Gemüseberge zu schneiden?

    Außerdem: Auch Doris Day konnte tippen und was damals die Schreibmaschine war, ist heute der Computer.

    Anyway, ein Hoch auf die modernen Sauberfrauen dieser Welt!

    LG

    Julia

  7. Daniela says:

    Wie ich beim genauen Hinschauen gesehen habe, traegt die Frau sowohl Sari (!) als auch Mangalsutra. Nix mit westlich oder single. Aber die Steuern des Mannes erledigen ist trotzdem unmoeglich im indischen Haushalt. Sie kann ja froh sein, wenn sies selber machen darf (fuer ihre Arbeit, meine ich), denn traditionell ist es der Mann, der so etwas erledigt.

    Vielleicht bin ich auch einfach schon zu lange in Indien 😉

    LG
    Daniela

  8. jules says:

    Du hast recht!

    Ohne Zweifel: tatsächlich Sari und Mangalsutra 😉
    Siehst Du, so genau habe nicht mal ich hingeschaut!

    Allerdings macht das die Sache noch schlimmer: Eigene Arbeit, Haushalt und Familie, Steuern zahlen – da haben wir dann tatsächlich die moderne Doppelbelastungskiste. Tja, nun auch in Indien angekommen! Was soll man dazu sagen?!

    LG

    Julia

  9. Falk says:

    Schon irrational übehaupt, dass jemand, der so viel verdient, dass er Steuern zahlt, überhaupt in der Küche steht und sich mit der Primitivarbeit abgibt. Bei uns macht das Köchi, und wir übenehmen wenn übehaupt formal das finale Abschmecken. Und das auch nur, wenn wir aus Sicht von Köchi damit Gäste beeindrucken sollen.

    Liebe Grüße

    Falk

  10. Ajay says:

    .. Ich denke ihr seht das alles zu eng:
    Der Mann hütet schließlich gerade die Kinder 😉

    Mal im ernst:
    Die Anzeige hat das erreicht, was sie erreichen sollte: Aufmerksamkeit.
    Von den Männern – die sagen: Cool… wenn _die_ Frau neben dem kochen die Steuern machen kann, kann meine das auch.
    Und den Frauen (analog zu Kerstin): Wenn die (moderne) Frau in der Anzeige einen Laptop nutzt (wer macht das schon in der Küche?), kann ich das auch…

    @alle die gerade in Indien sind: Erreicht die Anzeige denn bei den Indern tatsächlich den gewünschten Effekt?

    vg,
    Ajay.