Einmal HEILIG und zurück. Ein Besuch in Nasik.

Nach all dem Mist der letzten Wochen war ich am Montag bereit für eine heilige Erfahrung. Ich schnappte mir also Shabundin (Wenn ich genau überlege: Fahrer Nr. 6, nach Fahrer Nr.1, dessen Name ich vergessen habe, Sushil, Sushan, Manoj, und schließlich Darsharat, den die Agentur rausgeschmissen hat) und fuhr ins 200 km entfernte Nasik im nördlichen Maharashtra. Inder haben es ja bekanntlich mit den Flüssen: Wo immer ein Bächlein rinnt, oder, besser natürlich, ein verdreckter Strom, stürzen sich die Hindus unter den Indern mit Begeisterung in die Kloake um rituelle Waschungen vorzunehmen und so ihren favorisierten Göttern unter den immerhin 30.000(!) Gottheiten näher zu sein, die den hinduistischen Glaubenshimmel bevölkern sollen.

Nasik ist deshalb so heilig, weil es neben Allahabad, Haridwar und Ujjain einer der vier Orte auf dem indischen Subkontinent ist, in dem alle zwölf die berühmte Kumbh Mela, das grösste und heiligste hinduistische Fest stattfindet, und das wechselnd. Die letzte Kumbh Mela in Allahabad, die zugleich die grösste und widerum heiligste aller Kumbh Melas ist, weil Allahabad am Zusammenfluss von Yamuna und Ganges liegt, fand 2001 statt: Rund 90 Millionen (!!!) Menschen stürzten sich dort innerhalb von sechs Wochen in die braunen Fluten; an einem einzigen Tag mit besonders günstigen astrologischen Bedingungen, dem 24. Januar 2001, waren es allein 30 Millionen! Das sieht dann in etwa so aus: Thanks, www.zensibar.com & Toni Fernandez.

Nun, heute war zum Glück keine Kumbh Mela angesetzt – soviel Masse Mensch hätte ich nicht verkraftet bei meinem Hang zur Klaustrophobie. Nein, alles hübsch ruhig in Nasik, das ansonsten wirklich ein kleineres indisches Städtchen ist, mit seinen 1,1 Mio Einwohnern, die man aber nicht merkt. Unser Weg führte uns durch die grandiose Weite der Ratnagiri Ghats, trockenes Hochland, jetzt zur Regenzeit ein wenig begrünt, mit seinen Tafelfelsen, die mit etwas Fantasie an die tropische Version des Monument Valleys erinnern (na ja, fast, großzügig ausgelegt).

Schließlich, fünf staubige Stunden und 200 km später waren wir da und ich tauchte ein in die pralle Fülle indischen Brauchtums, zwischen Pilgern, Trauernden, Sich-Waschenden, Heilenden, Astrologen, Kartenlegern, Handlesern, Marktfrauen, Sadhus, Bettlern und,natürlich, heiligen Kühen:

Schließlich war es auch für mich Zeit, ins Hotel zu gehen und ich folgte willig dem Beispiel der beiden Schläfer hier, allerdings erst nach einer kalten Dusche und zwei ebenso kalten ‘Fosters‘:

Am nächsten Morgen fuhren wir zu den Pandav Leni-Caves – Höhlen in einem Berg, so alt wie die Welt, und angelegt von einer besonderen buddhistischen Sekte, um genau zu sein: 2100 Jahre alt.

Was ich so erstaunlich finde, ist die Tatsache, dass bereits damals Menschen nach Erlösung gesucht haben: Erlösung wovon? Von irdischem Leid durch Tod und Krankheit? Der Ungerechtigkeit des Lebens? So etwas muss es wohl gewesen sein, denn Dinge, die uns heute beschäftigen, wie Entfremdung durch Schnelllebigkeit, Konsum etc. können es definitiv nicht gewesen sein. Und doch gibt es sie, die Mönchszellen mit ihren kleinen Steinbetten, den niedrigen Decken, dem schmalen Platz zur Meditation. Warum nur? Was ließ die Leute suchen, schon damals?

Aber sie sind da, die in Stein gemeisselten Zeugnisse der Gottsuche und ich bewundere und schätze solche Orte, den Mut der Menschen und deren Genügsamkeit.

Dann weiter zum Trimbakeshwar-Tempel, einem der zwölf heiligsten Shiva-Tempel Indiens, weil er ein spezielles Lingam sein Eigen nennt, 33 km ausserhalb von Nasik: Die Landschaft wurde grandios, Hochplateaus, wohin das Auge blickt, und wir mittendrin. Zuerst hatte mich Shabundin direkt in den Ort, zum Tempel, gebracht, dann fragte er nach einem Short-Cut zum hochgelegenen Lakshmi-Tempel (drei Stunden Fussweg), hoch in den Bergen über dem Städtchen. Manoj aus Trimbak wusste Rat, stieg ein und zeigte uns eine grandiose Strecke:

Trimbak selbst ist nicht viel mehr als ein Marktflecken, in dem man Gras (natürlich kein aktives) für heilige Kühe kaufen kann. Nicht-Hindus sind im berühmten Shiva-Tempel nicht erlaubt:

Zurück in Nasik schlenderte ich noch ein bisschen herum und bewunderte und bedauerte die maroden Holzfassaden der Altstadt-Häuser und das Straßenleben:

Dies hingegen ist ein Moment, in dem mein Herz bricht, denn hier hat keiner eine Chance:


Leider hat‘s mit der Erleuchtung in den drei Tagen nicht geklappt: Ich bin immer noch dieselbe, alte Julia wie vor meinem Besuch in Nasik. Allerdings wundere ich mich auch nicht sehr darüber: Schließlich konnte ich mir ein Bad in der Godavari-Sauce gerade noch verkneifen. Dafür bin ich allerdings auch noch am Leben. Smile.

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3 Responses to “Einmal HEILIG und zurück. Ein Besuch in Nasik.”

  1. Stefanie says:

    Hallo Julia!
    Allein beim Anblick DES FOTOS der Hündin mit ihren Welpen bricht einem ja das Herz. 🙁 Möchte man sie nicht am liebsten alle bei sich aufnehmen?
    Das wär für mich schon ein Grund, lieber hier zu bleiben.
    Der Gedanke daran, wie vielen Tieren auf der Welt (oder auch Menschen) es so schlecht geht, zieht mich runter. Vor allem, da ich – so viel Kraft und Geld (falls vorhanden) ich in diese Hilfe auch reinstecken könnte- ich nicht einmal einem winzigen Bruchteil der Bedürftigen Geschöpfe helfen könnte.

    Ich wünsche Dir viel Kraft.

  2. Falk says:

    Hallo Julia,

    wie kommst du auf die 30.000 Götter. Mein Kenntnisstand -nicht selbst gezählt- liegt bei 330 Mio. Hat mir mal jemand aus dem Brahmin-Umfeld erzählt.

    Liebe Grüße

    Falk

  3. jules says:

    Hallo Falk,

    da hättest Du ja auch lange zählen müssen, sozusagen bis ans Lebensende. Hätte Deine Familie nicht so toll gefunden, glaube ich: Falk, schlohweisses Haar, keine Zähne mehr im Mund, sitzt im Schaukelstuhl und ist bei Gott Nummer 19.377979 angekommen. Ab und zu schiebt T. Dir ne stärkende Tasse Suppe zu, die Kinder sind längst aus dem Haus – Falk zählt tapfer weiter. Obwohl, wenn ich‘s mir recht überlege: Das Nirvana wäre Dir sicher gewesen.

    Also, ich meine das bei Wikipedia recherchiert zu haben, kann die Zahl adhoc aber nicht wiederfinden. Wikipedia englisch sagt 330.000, Du sagst 3,3 Mio, dann nehmen wir also 30.000 als absoluten Minimalwert, auf ein paar Tausend mehr oder weniger kommt es ja offensichtlich nicht so an ;-))

    Ganz liebe Grüße zurück,
    Julia