Jothie doesn’t come here anymore

Ich trauere. Immer noch. Denn ich habe Jothie, das wunderhübsche Ding mit den liederlichen langen Locken, die Zigeunerin, die durch mein Haus tanzte, meine häusliche Verbindung zu Indien, genauer: zu Maharashtra, gefeuert. Musste ich. Leider. Denn genauso, wie Jothie wirkt, so anmutig, tänzelnd, frei, lebt sie auch, will heißen, dass ich mich nicht auf sie verlassen kann, denn sie macht, was sie will. Für sie ist das schön, für mich weniger. Jothie kam, wann sie wollte, oder eben auch nicht. Kein Anruf, keine Nachricht durch ihre Mutter, die nebenan beschäftigt ist, nichts. Ich saß hier und wartete..und wartete und…wartete. Was, nebenbei und an anderer Stelle bereits erwähnt, in Indien ja nichts Ungewöhnliches ist. Nur eben: Es kostet meine Zeit. Zeit, die ich durchaus anders hätte verbringen können, WENN ICH NUR ETWAS GEWUSST HÄTTE, JOTHIE, DU RÜCKSICHTSLOSES DING!

Aber Jothie kam nicht, am Montag nicht, am Dienstag nicht, am Mittwoch nicht, die Bude sah aus wie Sau, mit Hund und nahezu weißen Fliesen… und dann habe ich mit Somar telefoniert, meinem Mann für alles, meinem Freund, meinem einzigen Versteher (neben U. natürlich, der aber mit seiner Arbeit beschäftigt ist). Somar sagte nur: “You have to look for somebody different. I’ll get you someone new.”

Ich war verstört: Hatte ich nicht gut für Jothie gesorgt, war ich nicht freundlich gewesen, hatte ich ihr nicht sogar das Doppelte von dem bezahlt, was sie von Amita, meiner Vermieterin, bekommen hatte und hatte ich nicht dafür von Amita einen Anschiss kassiert? Also warum? Niemand wusste etwas. Jothie war einfach weg.

Am nächsten Tag stand Somar mit einer neuen Anwärterin, Wondana (nein, nicht WONDERBRA!) in der Tür – Wondana ohne Jothies Feueraugen, nicht anmutig tänzelnd, aber (das bleibt abzuwarten) zuverlässig. Auf jeden Fall bescheidener, hausbackener. In Jothie war ich vom ersten Moment an verliebt, bei Wondana muss erst Liebe daraus werden. So ähnlich wie bei den arrangierten Ehen, die ja dann in den meisten Fällen auch erstaunlich lange halten, anders als unsere dusseligen europäischen Liebesheiraten – Scheidungsquoten sind bekannt. Ach Jothie! Du warst meine Liebesheirat!

Wir waren uns gerade einig geworden, Somar, Wondana und ich, als es an der Tür klingelte. Natürlich: Jothie! Jothie witterte den Verrat sofort. Ihr Lächeln schwand. Ich war stolz auf sie, wie schnell sie kapierte. Sie blieb in der Tür stehen, große Schweissflecken auf ihrem grünen Sari, ein wenig atemlos – hinreißend schön.

NEIN, ICH BIN NICHT LESBISCH, ABER ICH HABE AUGEN IM KOPF!

Dann deutete Jothie auf ihre Oberlippe – ein kleiner Ritz, mehr nicht. Eine schnelle Diskussion auf Hindi zwischen Somar und Jothie, ich kapierte nichts. Dann Somars Übersetzung: Ihr Mann schlägt sie, sie hat drei Tage mit ihm gestritten. Mein Gott, Jothie! Was tun? Ich schwankte. Somar schwankte auch, aber aus anderen Gründen. Wir zogen uns zur Beratung in den Garten zurück, Wondana im Wohnzimmer, Jothie im Türrahmen lehnend. Ich fragte Somar: “What would you do, Somar?” Somar, mein listiger Freund, wackelte unschlüssig mit dem Kopf: “I don’t know!” “I don’t know either”, sagte ich händeringend. Dann aber Somar: “You know, you just can’t rely on her…”, denn Wondana ist seine Nichte. Klar, dass sie die Arbeit bekommen soll. Klar, dass Jothie es versaut hatte. Recht hatte er, der Mann. Also musste Jothie gehen, Ehekrach hin oder her, oder meine Liebesheirat. Trotzdem trauere ich um Jothie. Denn diese Augen werden mir abgehen und auch ihr Temperament. Jothie doesn’t come here anymore.

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One Response to “Jothie doesn’t come here anymore”

  1. […] hatte ja hier gemutmaßt, dass arrangierte Ehen respektive Arbeitsverhältnisse durchaus verlässlicher sein […]