Komplett indianisiert. Oder: Man ist nie allein.

June 22nd, 2010

garden

Als wir vor gut zwei Jahren anfingen, uns mit dem Leben in Indien vertraut zu machen, war die Lebensweise vieler Inder für mich völlig unverständlich. Zu sehr war ich es gewöhnt, allein zu sein, alle Dinge selbst zu erledigen und niemanden um mich zu haben, es sei denn, Freunde oder Gäste waren zu Besuch. Dauerhaft Menschen um mich zu haben, hat mich immer schon irritiert und ich betrachtete mehr oder minder missmutig die Anwesenheit Anderer als einen Eingriff in meine persönliche Freiheit. Ich war immer froh, wenn ich die Tür hinter mir schließen konnte und ich wieder allein war.

Hallelujah!

June 11th, 2010

Wir sind drin. Im neuen Haus. Und es ist eine Oase der Ruhe, der Natur und des Friedens. Eine Insel des zivilisierten Lebens inmitten den brandenden Wogen indischen Alltagswahnsinns. Ich werde nachts nicht mehr zwanzigmal von sich lautstark kloppenden Straßenkötern geweckt, es gibt keinen Großgenerator hinter dem Schlafzimmerfenster und es gibt auch keine angrenzende Großbaustelle mehr, die immer nur nachts und Sonntags bewirtschaftet wird. Nur noch Grün und Vogelgezwitscher, kaum zu glauben, dass es das hier gibt. Ruhe ist hier echter Luxus. Soweit Halleluja, praise the Lord, the gracious One!

Auch haben U. und ich im Prozess des Umziehens davon abgesehen, uns gegenseitig mit Tape den Mund zu stopfen, obwohl ich – das muss ich zugeben – ein paar Mal nahe daran war. U. vermutlich auch. Also kein gegenseitiger Mord und Totschlag und auch die Kartonwände habe ich überlebt. Soweit alles gut.

Alle Jahre wieder…

May 21st, 2010

kisten

…habe ich nichts Besseres zu tun, als umzuziehen. Lasst mich dabei eines vorausschicken: Ich lieeebe Umzüge! Ich bin ganz vernarrt in frische, knusprige Pappkartons, vor allem, wenn es so viele sind! Und erst das Tape! Mit dem kann man renitente Ehemänner schnell und wirkungsvoll fesseln und zum Schweigen bringen. Das gilt auch für nervige Hunde – Obacht, Kalu! Und erst der ganze Staub, in dem man wühlt! Herrlich!

Quatsch beseite. Ich stehe vor einem Berg Umzugskartons, die es zu füllen gilt und wieder einmal stelle ich fest, dass man einfach viel zu viele Dinge besitzt. Und das trotz zweier großer Entrümpelungsaktionen VOR und NACH unserem Umzug nach Indien. Nun gut, jetzt können wir eben wieder entmüllen.

Update: Brutales Indien.

May 3rd, 2010

Manchmal kann man gar nicht so laut schreien, wie man möchte. Manchmal wünscht man sich, die Tageszeitung nicht aufgeschlagen zu haben, weil es einem restlos den Tag versaut. Und man sich die Haare rauft vor lauter Verzweiflung. Manchmal wünscht man sich, die Welt, und in diesem Moment insbesondere Indien, wäre ein besserer Ort, weil Menschen und ihre abscheulichen Taten es einem unmöglich machen, das Land und seine Menschen zu lieben.

Man beginnt zu hassen, und dann wird es gefährlich. Hätte ich in diesem Moment die Möglichkeit, die Idioten der Puner PMC (Stadtverwaltung), die in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag vergangener Woche 10 harm- und hilflose Straßenhunde in Pune mit Giftködern qualvoll umgebracht haben, physisch in die Mangel zu nehmen, ich würde nicht zögern. Feige Schweine, barbarische Tat.

Survival of the fittest? Indische Grausamkeit, hautnah.

May 1st, 2010

Es ist eine Sache, von Gräueltaten in der Zeitung zu lesen. Das kann man hier täglich und nicht nur auf Bildzeitungs-Niveau. Angesichts der prekären sozialen Verhältnisse (laut einer Statistik der Weltbank leben 44 Prozent der indischen Bevölkerung von weniger als einem US-Dollar am Tag. Ausrufezeichen.) wundert es mich täglich, dass es verschwindend wenig wirtschaftlich motivierte Gewaltkriminalität gibt.

Dennoch tropft aus indischen Zeitungen das Blut, wie hier bereits 2008 beschrieben. Dabei handelt es sich vielfach nicht um Gewaltakte aus wirtschaftlichen Gründen, sondern um persönlich motivierte Totschlag-Szenerien oder Morde. Morde, die im Namen der “Ehre” verübt werden, wegen Familienzwistigkeiten, aus Eifersucht, Morde sogar aus religiösen Gründen. Indien ist ein sehr emotionales Land.

Wie gesagt: Es ist eine Sache, über “Incredible India” zu lesen, wie sich das Werbemotto des indischen Tourismusverbands ironischerweise nennt, eine andere, die Schattenseiten einer hilfslosen und von Doppelmoral geprägten Gesellschaft im nächsten Umfeld mitzubekommen:

Deutschland, Deine Fischbrötchen.

April 28th, 2010

Wie Ihr ja (aus bespielsweise) diesem und diesem post wisst, kann man mich normalerweise NICHT mit einer Deutschlandreise erfreuen. Da nun aber für Anfang Mai ein Deutschlandbesuch geplant ist, liege ich U. schon seit Tagen in den Ohren mit so völlig unpassenden und unangebrachten Fragen wie: “Muss das denn sein?”, “Kannst Du nicht alleine fliegen?” und der ultimativ destruktiven Frage: “Was soll ich da?”,  bis mich mein ebenso sanftmütiger wie geduldiger Mann wieder auf den Boden der Tatsachen und damit den Pfad einer tugendhaften Haltung gegenüber meinem (un)geliebten Heimatland zurückführt: “Ganz einfach, Hase, Du musst Schuhe kaufen!”

Das ist in der Tat ein schlagendes Argument. Ich liebe Schuhe. Gute Schuhe. Schuhe, in denen man sogar gehen kann. Schnell, möglichst. SOLCHE Schuhe gibt es nicht in Indien. Jedenfalls nicht für Frauen. Die durchschnittliche Inderin steckt ihr zartes, oder weniger zartes Füßchen in der Regel in feinst zisilierte Sandalen, was zwar den Temperaturen angemessen, aber zur Fortbewegung wenig hilfreich ist.