Let´s get personal.

Achtung: Der nachfolgende Beitrag verallgemeinert die Darstellung aus sprachlichen Gründen zu Ungunsten einer gewissen Bevölkerungsgruppe indischer Mitmenschen. Das ist nicht das Resultat kolonialer Überheblichkeit meinerseits (“so sind sie eben, die Inder!”, gesprochen mit einem leicht resignierten Seufzer und hochgezogener Augenbraue), sondern spiegelt meine persönlichen Erfahrungen wider, die natürlich MEINE Erfahrungen sind und sich nicht verallgemeinern lassen. Allerdings erkenne ich Tendenzen, die mir missfallen. Dem hier angesprochenen Herrenmenschen-Habitus ist dieser Beitrag gewidmet. In der Regel werde ich nett behandelt – natürlich. Denn ich bin weiß, vergleichsweise wohlhabend und kann mich wehren. Wehe, man ist/kann das nicht.

Wenn man nicht acht gibt, hier in Indien, wird man untergebuttert. Das geht ganz schnell. Die Männer sind nicht das Problem. Nein, es sind Frauen; indische Oberschicht-Frauen. Sie haben keine Haare auf den Zähnen, sondern Pelze. Sie wissen genau, wo sie hinwollen und wie sie dahin kommen. Wehe, man steht Ihnen dabei im Weg. Sie sind es gewöhnt, zu kommandieren. Sie sind eloquent, selbstzufrieden und ungeheuer von sich überzeugt. Und sie sind so ziemlich das Zickigste, was ich je kennengelernt habe:

Gestern war ein schöner Tag. Zwischen einzelnen Wolken und kurzen Schauern strahlte die Sonne, es war vornehmlich trocken, V. und D. hatten Glück: Kaiserwetter für einen Umzug in der Monsunzeit. Wir waren gekommen um zu helfen, alles war tipptopp vorbereitet, die Kartons gepackt, Möbel demontiert, wir konnten loslegen.

Wir hatten in V.´s alter Wohnung die Autos mit Kartons beladen, zur neuen Wohnung gefahren und mit dem Ausladen begonnen. In der Wohnung wurden wir von Xanthippe erwartet, einem Faktotum des neuen Vermieters, die irgendwelche Dinge mit unseren Freunden klären wollte. Zum Beispiel die – entgegen allen Absprachen – noch nicht erledigten Reparaturen, Malerarbeiten und den lieben Internetanschluss.

Kaum hatte ich mit Kalu an der Leine die Wohnung betreten, streckte mir die am Esstisch thronende Matrone ihren fetten, goldberingten Zeigefinger entgegen und herrschte mich an: Ich solle gefälligst den Hund anbinden, sie hätte Angst vor Hunden und was das denn bitte solle, einen Huuuund (!) mit in diese Wohnung zu bringen. Dieser Hund gehöre weggesperrt, ich solle fernbleiben!

Bitte?

Ich sagte ruhig, ihre Überheblichkeit ignorierend, und vielleicht ein klein wenig maliziös: “Oh, das ist dann ja eine hervorragende Gelegenheit für Sie, an Ihrer Angst zu arbeiten, denn dieser Hund ist außeror…”.

Weiter kam ich nicht.

Ihre Schweinsäuglein verengten sich zu Schlitzen, aus denen Dolche zischten: “Einen Teufel werde ich tun, an meiner Angst zu arbeiten. Selbst mein Mann hat so ein Vieh und nicht mal den fasse ich an!”, kläffte sie weiter und ihre schwabbeligen Wangen plusterten sich empört zu einem roten Vollmond auf.

“Ich kann mir schon vorstellen, wie es um Deine Ehe bestellt ist”, schoss es mir kurz und gemein durch den Kopf, bevor ich mich für ihre ausgesuchte Höflichkeit bedankte, und sie darauf hinwies, dass sich Kalu, wie auch sie ja wohl sehen könne, bereits an der Leine befände. Dann ging ich am Esstisch vorbei in die Küche. Dumme Zicke!

Gelegenheit Nummer Zwei ergab sich dann beim gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant am Mutha-Fluss. Hübsche Terrasse, nette Aussicht, Tische unter einem Glasdach, so dass man auch in der Regenzeit draußen sitzen kann. Wir Fünf setzten uns also, um uns nach dem Umzug zu stärken und orderten eine Runde Bier für alle, als sich an einem Nebentisch eine typische Upper-Class-Familie niederließ. Sie äußerst wohlgenährt, geschminkt und goldbehangen, eine typische Mutter verwöhnter High-Society-Brut, ihre beiden Prinzen-Söhne im Schlepptau, ein eher unauffälliger Ehemann. Und dann begann das Starren.

Dazu muss ich sagen, dass wir eine äußerst hübsche, gertenschlanke junge Dame, nämlich D., dabei hatten, die aus indischer Sicht leider einen Fehler besitzt: Sie ist schwarz.

Die Inderin vom Nebentisch gaffte sich mit äußerst abfälliger Miene die sorgsam geschminkten Augen aus dem Leib, offensichtlich war D. das Objekt ihres Missfallens und natürlich unsere Bierflaschen und meine gelegentliche Zigarette. Und unsere gute Laune. Glotz, Glotz, Glotz, Zischel, Zischel, Zischel.

Unser Tisch: der personifizierte Abschaum. Ein offensichtlich faszinierender dazu. Fast hätte ich sie gefragt, ob sie sich nicht dazu setzen wolle, dann könne sie alles noch besser verfolgen. Irgendwann jedoch sagte ich laut: “Glotz, Glotz, Glotz” in ihre Richtung, woraufhin sie sich angeekelt einen ihrer Prinzen griff und beleidigt an einen entfernt liegenden Tisch abrauschte. Konnte wohl Deutsch, the sweet lady.

Schließlich gab es heute Gelegenheit drei: Ich stand im Edel-Supermarkt in der Kassenschlange, als mir auffiel, dass ich noch schnell einen Salat holen wollte. Meinen Einkaufswagen ließ ich stehen, ich war als nächstes dran und der Kunde vor mir noch nicht fertig. Das ist durchaus üblich, machen hier alle so. Und, was soll ich sagen, naturellement, ich kam zurück und es hatte sich eine Inderin vorgedrängelt, aber noch keine Waren auf die Theke gestellt. Also begann ich an der Dame vorbei auszupacken, als sie mich von oben herab anfuhr: Wie ich denn auf die Idee käme, jetzt hier auszupacken, sie wäre jetzt an der Reihe, das könne ich doch wohl sehen!

“Ich glaube nicht, dass SIE jetzt an der Reihe sind”, sagte ich, deutete auf meinen IN der Schlange stehenden Einkaufswagen und packte weiter seelenruhig aus, während Madame, ebenfalls beleidigt, an eine andere Kasse brauste.

Ich hasse es, mich zu solchen Reaktionen hinreißen zu lassen. Aber: Mein Gott, können die arrogant sein. Und ich kann mich anpassen. Und meine Erziehung vergessen.

Wie sagt man doch so schön: “Wie man in den Wald hereinruft, so schallt es heraus.”

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9 Responses to “Let´s get personal.”

  1. Kerstin says:

    In solchen Momenten erwacht in mir die Superzicke, die dann erst recht macht, was sie fuer richtig haelt, denn ich kann noch MEHR!!!!!!!!!!!!

    Und jetzt kommt meine bewusste Verallgemeinerung: Diese “Damen” aus diesen Kreisen koennen aus meiner Sicht nichts, aber auch gar nichts, ausser kommandieren. Aber selber Hand anlegen? Nein, das hat man naemlich nicht noetig, dafuer sind ja andere geboren worden. Widerlich, einfach nur widerlich.

    LG
    Kerstin

  2. Sabine says:

    Hallo Julia,

    mit diesen Leuten ist im allgemeinen auch nicht gut Kirschen essen, oder?

    Aber eigentlich koennen die einem auch leid tun. Sie koennen wirklich NICHTS, ausser die Klappe aufreissen und andere Leute bevormunden.
    Niemand hat ihnen jemals auch nur ein bisschen Anstand und Hoefflichkeit beigebracht! Wie dieses Land bis jetzt so weit gekommen ist, ist mir persoenlich manchmal wirklich ein Raetsel.
    Gott sei Dank sind ja nicht alle so.

    LG
    Sabine

  3. jules says:

    @ Kerstin: Jaaa, Eineinhalbhand-Schreiberin,

    genauso geht es mir auch!

    Es gibt wenig, was mich provoziert – das Verhalten dieser “Damen” gehört aber definitiv dazu. Ich hasse ihre Überheblichkeit, Selbstgefälligkeit und Beschränktheit.

    Und an einem solchen Tag fühle ich mich in Indien fremder denn je. Weil ich die Gesetze, nach denen die Gesellschaft hier funktioniert, nicht verstehe und nicht mal verstehen will.

    Hoffe, Deiner Hand geht es mittlerweile besser: Immerhin sind wir ja schon bei eineinhalb Händen – das ist doch ein Lichtblick 😉

    @ Sabine: Es ist immer wieder schön, wenn die Damen der Gesellschaft ihre Ellenbogen-Stilettos ausfahren, um um sich zu stechen. Aber mittlerweile bekommen sie das zurück. Das haben sie mir beigebracht, hier in Indien.

    Und ich finde das schade, denn ich mag nicht Krieg führen und genau dazu wird man gezwungen. Aber immer nur dabei stehen und sich herunterputzen lassen? Nee, nicht mit mir. Manchmal denke ich: Es gibt nichts Schlimmeres als reiche Proleten ohne Erziehung. Und genauso geben sich manche dieser reichen Inderinnen. Pfui!

    LG!

    Julia

  4. Daniela says:

    Sie sind nett, gelle?
    Aber ich denke nicht, dass das nur reiche Inderinnen betrifft. Das Starren & Drängeln sind definitiv klassenübergreifende Charaktereigenschaften.

    LG
    Daniela

  5. jules says:

    Aber der leicht angewiderte Herrenmenschen-Tonfall, die Art, wie sie einem zu verstehen geben, dass man nichts weiter als ein Lakai ist, in ihren Augen, ist definitiv Oberschicht-spezifisch. Ebenso die Abfälligkeit beim Starren.

    Manche Inder starren einfach, wertfrei; sie gaffen, weil sie aus ihrer Sicht etwas Anderes, Exotischeres zu sehen bekommen, als das tägliche Einerlei ihres Alltags. Das Starren, das ich hier meine, gleicht einem Sezieren eines ekligen Wurms. Das haben manche der Ladys verdammt gut drauf.

    LG

    Julia

  6. Steffi says:

    Das kann ich mir richtig bildlich vorstellen. Manche hier in D haben das ja auch drauf. Ich geb ihnen dann gern etwas zum Sezieren in die Hand, indem ich mich dazu hinreißen lasse, ein Küsschen durch die Luft zu schicken und die Leute freundlich anzublinzeln.

    😉

  7. Daniela says:

    Sozialstudie für Julia:
    Sonntag oder Mittwoch Abend im Big Bazaar. Beobachte mal die dicke indische Hausfrau im 200-Rupien-Nylonsari, wie sie mit den Angestellten umgeht und wie sie dich angafft, wenn du wie zufällig U. berührst. 😉

    LG
    Daniela

  8. Steffi says:

    Na da bin ich auf´s Ergebnis gespannt! 🙂

  9. NRW_Ind says:

    Es tut mir Leid dass du in Indien nur schlechte Erfahrung sammelst. Aber, was willst du noch in Indien wenn du das Land und die Leute nicht mag???

    “In der Regel werde ich nett behandelt – natürlich. Denn ich bin weiß, vergleichsweise wohlhabend und kann mich wehren.” – Ich kann mir es gut vorstellen dass die Leute da nur neugierig sind um die AusländerIn zu sehen, die/ der anders als sie und nicht wegen DEIN GELD. Wenn du viel Geld hast oder nicht das bringt ja auch nichts zu die Leute in Indien. Weißt du es nicht, oft kommen die Deutsche zu Kalt und Arrogant in Ausland???

    Umgekehrt, die meistens Inder versuchen nicht zu generalisieren obwohl die meinstens Deutsche die Ausländerfeindlichkeiten in irrgendeinen Art zeigen.

    Wollte sagen, dass wir Ausländer nicht wegen GELD hier in Deutschland, da in USA oder in England viel mehr bessere Möglichkeiten für Beruf und GELD (rede darüber weil du das angefassen hast) verdienen können; es ist globalisierte Welt. Ich habe ausländischer Pass und will auf keinen fall wechseln. Normalerweise, klage ich nicht über die Deutsche, da ich beide schlechte und auch gute hier erlebt habe und werde auf keinen Fall alle generalisiern. Ar***lö**er gibt es in jedes Land. Ich persönlich kenne viele Deutsche, Engländer und Amerikaner die in Indien gute Erfahrungen gesammelt haben und wollen gerne mal wieder fliegen.

    Ich habe kein Bock um alles hier zu diskutieren wenn du keine offene Augen hast. Bevor du über meine Deutschkenntnisse meckert… ich bin in der Kurzer Zeit Deutsch gelernt, also in ein Paar Monaten.