A blessing in disguise

Als wir die vergangenen Tage zwei neue Fahrer kennengelernt haben, wusste ich schon nach kurzer Zeit, dass es schwierig werden würde, sich für einen der beiden zu entscheiden: Beide sind zuvorkommend, beide sprechen vergleichsweise gut Englisch, beide sind Hindus. Im Gegensatz zu unseren ungefähr 16 vorherigen Fahrern, die wir zwischenzeitlich verschlissen haben und die mehr oder minder alle ein kleines Party- und Alkoholproblem hatten.

Aber, njet, mein Sohn, es geht auch anders.

Die Entscheidung, WEN man in sein Leben einlädt, ist keine jedenfalls keine leichte: Schließlich kennt Dein Fahrer fast Dein ganzes Leben, weiß, wen Du wann triffst, wo und was Du einkaufst, ob Du müde bist oder hungrig oder verkatert oder verliebt, und, apropos, ob Du gestern Krach mit Deinem Göttergatten hattest, wer Deine Freunde sind, usw. usw. Für Deinen Fahrer bist Du ein offenes Buch, dessen Inhalt er liest wie andere die Tageszeitung: Er weiß alles, und wenn er nicht blöd ist, auch Dinge, die Du maximal mit engsten Freunden teilen würdest. Er ist ein an die Peripherie Deines Lebens angehängtes Familienmitglied and he´d better be trustworthy.

Ein heikles Thema.

Um es kurz zu machen: Wir haben uns schließlich für Shravan entschieden, weshalb ich zwischenzeitlich Bedenken hatte, schließlich beginnt sein Name mit Sh- und das ging schon einmal nicht gut aus. Aber, mein Gott, WAS für ein Unterschied!

Erstens: Shravan hätte auch Model werden können. Nicht, dass das irgendeine Relevanz für seine Qualitäten als Fahrer hätte, aber wenn ich morgens die Tür öffne und mich grüßt neben einem sehr netten Lächeln auch ein wohlgestaltetes Sixpack unter dem frischgebügelten Hemd… nun, dann ist das nicht böse. Überhaupt nicht. Aber das ist natürlich allein eine weibliche Betrachtung der Dinge und war, das versichere ich Euch, natürlich kein Kriterium. Oder doch? Hallo, U.!

Zweitens: This boy CAN drive! Und das ist von höchster Relevanz – der Verkehr ist grotesk in Pune und man braucht jemanden, der Gelegenheiten erkennt und ausnutzt, keine Schnarchnase. Da hat Shravan eindeutig gepunktet, Navneed hat wohl allzulange den Hotelfahrer gegeben, wo Madam und Sir möglichst sanft durch den Verkehr geleitet werden möchten. Wir möchten NICHT sanft geleitet werden, wir wollen von A nach B. Und das möglichst schnell.

Drittens: Shravan hat ein natürliches Talent, mit Hunden umzugehen. Er arbeitet jetzt seit fünf Tagen für uns, und Kalu springt an ihm hoch, als hätte es nie einen anderen gegeben. Erstaunlich. Und Shravan hat selbst einen Straßenköter adoptiert, Tiger. Als er noch nicht verheiratet war und allein in Pune lebte. Der Mann liebt Hunde! Hätte uns etwas Besseres passieren können?

Davon abgesehen trinkt Shravan nicht (viel zu eitel), fastet einmal die Woche und fährt uns mit Begeisterung zum Dighi Mountain, wo Kalu und ich zu langen Regenspaziergängen aufbrechen: Er ist mir fast unheimlich, der Mann. Wo soll das hinführen?

Ich halte Euch auf dem Laufenden.

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9 Responses to “A blessing in disguise”

  1. Steffi says:

    Hallo Julia!
    Hui, das ist ja spannend! Ich drücke Dir die Daumen, daß er erste Eindruck und das, was er bisher von sich gegeben hat, stimmt.

  2. anu says:

    klingt ja fast zu schoen um wahr zu sein. Ich drueck dir die Daumen, dass es diesmal gut passt. Es soll schliesslich wirklich ein paar Perlen unter der Dienstbotenschaft Indiens geben 😉 (unsere ist letztes Jahr nach Kuwait gegangen).
    Also, viel Glueck!
    anu

  3. Teodoraa says:

    ja das war auch das erste was mir dazu einfällt.. klingt fast zu gut um wahr zu sein… mal sehen wie mr diet coke (so stelle ich mir jedenfalls six-pack menschen vor) sich macht, wenn er weniger angst hat gleich wieder herausgeworfen zu werden (aber wenn er wirklich so gut ist, wird er sicher bald versuchen einen besseren job zu bekommen)

  4. Daniela says:

    Glückwunsch.

    Aber (ich kann nicht anders. Scheint angeboren zu sein.) … aber woher weißt du, dass er ein Sixpack hat? Er wird doch wohl nicht die Unverschämtheit besessen haben, das vorführen zu müssen?

    Ich verstehe nicht, warum ihr euren Fahrer so nah an euch ran lasst. Er ist doch immer draußen vor der Tür, und wie viel Zeit verbringt man schon im Wagen?

    Viel Glück jedenfalls.

    LG
    Daniela

  5. jules says:

    @ Teodoraa: Also als Fahrer wird er schwerlich einen besseren Job bekommen, als bei uns, möchte ich mal behaupten… Aber vielleicht startet er ja auch eine Karriere als Model. Glaub ich aber nicht, dazu wiederum ist er nicht affektiert genug.

    @ Daniela: Ich mag Deine “aber….” 😉

    Also er hat es nicht direkt vorgeführt. Aber er trägt verdammt enge Hemden….und ich habe Augen.

    Und zum Thema Zeit im Wagen verbringen: Jede Menge und noch mehr. Vor allem im Stau, aber das kennst Du ja aus Mumbai bestens. Und er fährt mich, resp. uns, eben überall hin, kennt unsere Gespräche oder ihren Tonfall (Gottseidank sprechen wir nicht Englisch miteinander) und kennt unsere Gewohnheiten besser als jeder andere Außenstehende. Erinnerst Du Dich an “White Tiger”? Auch da weiß der Fahrer eine gaanze Menge über die Leute, die er fährt.

    Bei uns geht es sogar so weit, dass die Fahrer noch vor uns wissen, wo und wie lange sich Kollege XYZ irgendwo aufhält – die ganze Clique der angestellten Firmenfahrer wissen SEHR gut Bescheid. Fantastisches Networking, kann man nur sagen.

    Danke für die guten Wünsche, Euch allen!

  6. sarangiji says:

    Wie hat denn die Suche ausgesehen?
    Was habt ihr unternommen, und wo um die Bewerbungen zu bekommen? Gibt es da eine zentrale Stelle, die man kontaktiert?Wie hat die Probefahrt ausgesehen?

    LG
    Andreas

  7. Daniela says:

    Ich wurde wieder in meinem (erst kürzlich ins Schwanken geratenen) Entschluss bestärkt, niemals einen Fahrer einzustellen. Puh, Glück gehabt. Da fahr ich lieber Taxi und lass das Auto in der Garage treten, als dass ich mir so einen Spion aufhalse. Brrr. 😉

    Tch. Ich würde ihm ne Uniform verpassen. Klingt ja gehörig nach einem Schmalzkopf mit Modelambitionen. Urgh. – Yeah, ich habe eine prüde Phase. Das ist voll toll. Endlich pass ich hier her. :-))

    LG
    Daniela

  8. jules says:

    @ sarangiji: sweety – dafür gibt´s bei uns eigene abteilung. die haben einen ganzen pool von fahrern, die wenigstens ein minimum an fahrkünsten beherrschen und englisch sprechen. und die kann man sich dann ausleihen und testen. shravan hat gewonnen. wir werden sehen!

    @ daniela: mensch, da gratulier ich dir herzlich! das ist doch toll! du, so passend prüde in indien, endlich mit der richtigen einstellung…soll ich deinen schwiegereltern bescheid sagen?

    makes me smirk.

    LG!

  9. Daniela says:

    Das glauben die dir eh nicht. :-))