Love´s the only thing that´s (for) free

Gerade bekam ich Besuch von einem lieben indischen Freund, nennen wir ihn: X.

X ist einer der wenigen, der letzte Woche den Fall von Sektion 377 gefeiert hat, denn X ist schwul. Wir fingen an zu reden und natürlich fragte ich ihn, wie denn jetzt das Lebensgefühl sei, als freier schwuler Mann, in der Ära Post-377-Penal-Code. Er sagte: “Juli, ich erzähle Dir jetzt mal eine kleine Geschichte, wie ich mich all die Jahre gefühlt habe und wie es so war, in Indien, bis vor einer Woche:

Weißt Du, ich war vor ein paar Jahren mal auf einer schwulen Party und da gab es einen Jungen, der mir ziemlich gut gefiel und ich ihm wohl auch. Auf jeden Fall beschlossen wir, Sex zu haben, für uns, allein. Also gingen wir und suchten uns eine dunkle Ecke unter einer Brücke, als wir auf einmal Trillerpfeifen hörten. Ich bekam Angst, mein Lover auch, und hastig zogen wir uns halb an, als auch schon mehrere Polizisten die Kegel ihrer Taschenlampen auf uns richteten und uns abführten, aufs Revier.

Ich war verzweifelt, mein Freund auch, denn obwohl wir sagten, dass wir nur zum Pinkeln gewesen seien, wurden wir unter Androhung eines medizinischen Tests und der Veröffentlichung unserer Tat genötigt, uns zu outen und homosexuelle Handlungen zu gestehen. Ich hatte große Angst, denn schließlich wusste niemand von meiner Homosexualität, insbesondere meine Familie nicht. Ich wollte sie nicht verlieren. Und ich wollte nicht in den Knast. Wofür?

Schließlich gestand ich – besser, meine Familie erfuhr es von mir, als aus der Zeitung. Ich sagte aus, dass es allein meine Idee gewesen sei, Sex zu haben und dass nur ich schwul sei, mein Partner nur mitgemacht habe.

Ihn ließen sie laufen, nachdem sie ihm alles Bargeld abgenommen hatten, das er bei sich hatte.

Als er gegangen war, schickte der Kommissar schließlich unter einem Vorwand alle seine Untergebenen fort, wir waren allein – and then he fucked me.”

“Tja, so war das, Juli, all die Jahre…”, sagte X versonnen und trank einen Schluck Mangosaft.

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10 Responses to “Love´s the only thing that´s (for) free”

  1. Daniela says:

    Hmmmmm, so oder so ähnlich lauten fast alle Erfahrungsberichte der Schwulen in der Essaysammlung “AIDS Sutra”. Ist es nicht absolut ironisch,… oder eigentlich schon bizarr, dass die Polizei genau das tut, wofür sie den vermeintlichen Kriminellen “bestrafen”?
    Übrigens DER Grund, warum die Polizei zu den am meisten AIDS-gefährdeten Gruppen Indiens gehört. Sie nehmen sich ja auch regelmäßig Transvestiten, Hijras und Prostituierte mit aufs Revier. Nur deswegen.

    Ich stelle mir das ganze allerdings noch eine Dimension schlimmer vor, wenn man so eine Geschichte von einer bekannten/befreundeten Person erzählt bekommt anstatt sie in einem Buch o.ä. zu lesen.

    LG
    Daniela

  2. sarangiji says:

    ich könnte mir vorstellen die indische polizei mach derartiges auch mit heterosexuellen….

    LG
    Andreas

  3. Daniela says:

    @Andreas

    Ja. Mit Frauen, die eine Anzeige wegen Vergewaltigung erstatten. So nach dem Motto: Die weiß ja schon, wie das läuft. Da kommts auf einen mehr oder weiger auch nicht mehr an.
    Darum geht man als Frau nicht alleine auf die Polizeistation.

  4. jules says:

    @ Daniela: Es ist entsetzlich. Und entsetzlich persönlich. Entsetzlich, wozu Menschen in der Lage sind, wenn sie Macht haben und man sie gewähren lässt. Und was die Opfer hinnehmen müssen. In Deutschland gibt es für diese Dinge Täter-Opfer-Ausgleiche, psychologische Betreuung, Hilfsgruppen. Hier: Sweet Nothing. Wenn das Opfer zerbricht? Pech!

    Das ist schlimm. Und verdammt hart. Vor allem, weil es in diesem Land nicht einmal ein Minimum von UNRECHTSBEWUSSTSEIN zu geben scheint, sondern nur brutalsten Opportunismus. Das, entschuldigt meine Wortwahl, kotzt mich an.

    @ Andreas: Ja, mit Sicherheit. Aber diese Frauen werden nicht unter Androhung von lebenslangem Knast zu Sex genötigt. Die nimmt man einfach so mit.

  5. Daniela says:

    @Julia

    Ich weiß nicht, ob ich von Deutschland ein allzu rosiges Bild zeichnen würde. Ich bin der Meinung, man ist in Dt. (oder in Europa generell) zu sehr dazu übergegangen, sich ums (psychische) Wohl der Täter zu kümmern, anstatt sie eiskalt und hart zu bestrafen, wie ich das definitiv befürworten würde. Ich würde mich als Opfer da sicherlich nicht immer für richtig entschädigt halten. Aber das ist vermutlich ein anderes Thema.

    Wenigstens gibt es in Dt. wirklich Betreuung für Opfer, und da sieht es hier sehr mager aus. Bzw. gibt es das bestimmt, aber ich wüsste vor Schreck gar nicht, wohin ich mich wenden müsste. Es ist wirklich pervers, wenn man sich überlegt, wie das Ausnutzen der Schwachen wirklich geradezu institutionalisiert wurde.

    Inder, mit denen ich darüber gesprochen habe, meinten dann häufig, dass es daran liege, dass man hier für alles kämpfen und sich alles erstreiten muss. Zu viel Wettbewerb. Vielleicht ist da was dran. Vielleicht lernt man da, den Ellenbogen da anzusetzen, wo es wehtut, nur damit man selbst voran kommt. Kann man sicher nicht bewerten, wenn man aus einem watteweichen EU-Staat kommt, wo einem alles von vorn und hinten reingeschoben wird.

  6. jules says:

    Yep, agreed!

    Abgesehen davon, dass ich nicht daran glaube, dass man Gewalt mit Gewalt besiegen kann.

    LG!

  7. Daniela says:

    Hmmm, hatte kürzlich diesselbe Diskussion mit einem angehenden Anwalt. Wir konnten uns nicht einigen bzw. auch gemeinsam kein anständiges Strafsystem aufstellen. 😉

    LG
    Daniela

  8. interessant, die sache mit dem hohen wettbewerbsaufkommen…obs daran liegt? muss ich mal drüber nachdenken… :roll:

  9. tim taler says:

    Eine kleine Anmerkung zu X und dem Fall von Sektion 377 im Allgemeinen: Solange Indien Gier, Korruption und Selbstbereicherung nicht in den Griff bekommt, wird es nie ein “freies Indien” geben, in dem auch tatsächliche unveräußerliche Menschenrechte gelten. Auch der Fall von Sektion 377 wird in der Realität nichts an der bisherigen Lage der Schwulen ändern – wie Ihr im Blog hier selbst ausführt, finden auch Übergriffe auf andere Personengruppen statt, deren Liebesleben bislang bereits nicht unter Strafe stand. Der Fall von Sektion 377 ist damit reine Makulatur und das Blatt Papier nicht wert, auf dem es steht. Warum also sollten die Schwulen feiern – nothing will ever change! Welche “neutrale und menschenrechtsachtende” Staatsgewalt sollte die Polizei bei ihrem willkürlichen Vorgehen zurückpfeiffen. Gefällt der Polizei (besser gesagt einigen subversiven Elementen innerhalb dieser Personengruppe, man kann die Polizei sicherlich auch nicht allgemein verteufeln) dein Gesicht nicht, wird sie so lange darauf einschlagen, bis es sich nach ihrer Vorstellung verformt hat. Leider gibt es neben Indien noch viel zu viele Staaten, in denen es ähnlich ist – und so etwas im “aufgeklärten?” 21. Jahrhundert.

  10. admin says:

    Tim,

    in einem Punkt bin ich anderer Ansicht, Du sagst: “Der Fall von Sektion 377 ist damit reine Makulatur und das Blatt Papier nicht wert, auf dem es steht.”

    Wie schon in “Ein weiter Weg.” Noch immer.” angesprochen, führt die Straffreiheit von homosexuellen Handlungen dazu, dass die Leute nicht mehr erpressbar sind. Ich finde, das ist eindeutig ein Fortschritt.

    Außerdem: Die Schwulen HABEN gefeiert. Leider nur sie!

    LG

    Julia