The boiling cauldron

sattes reisfeldgruen

In Ordnung. Ich werde jetzt schreiben, auch wenn jede Bewegung meiner Hand Mühe macht und kleine Schweissrinnsale hervorruft, die sich tropfend auf der Tastatur sammeln um von mir mit leichtem Ekel ins bereitliegende Tüchlein gewischt zu werden, bis zum nächsten Tropfen, igitt.

Aber, hey, nein, so schlimm ist es nicht, auch wenn die Tage in Kerala mit das Heisseste waren, was ich bisher erlebt habe und das meine ich temperaturbezogen und nicht so schlüpfrig wie Ihr schon wieder denkt, Ihr Ferkel. Aber, wer weiß, vielleicht werde ich auch nur empfindlicher, man kommt ja ins Alter.

Leider hat sich nicht nur in Kerala der sogenannte ‘Winter‘ verabschiedet, sondern auch in Maharashtra: Als wir am Sonntag in Mumbai landeten, zeigte das Thermometer beachtliche 44 Grad Celsius – und das während der Fahrt auf der Autobahn, und nicht etwa im hitzegeschwängerten Großstadt-Stau, in dem sich protestierend der Asphalt in großen Blasen von der Straße löst.

Und so geht es uns eben: ‘Game over‘ bevor es angefangen hat, denn man kann sich nach acht Uhr morgens nicht mehr nicht rühren, es sei denn, man steckt seinen Kopf (am besten mit Körper) in den Kühlschrank und den Hund gleich mit dazu. Mein Kühlschrank ist dafür leider nicht groß genug, jedenfalls nicht, wenn ich nicht alles andere vorher entfernt habe. Und das geht nicht, denn so ein einsames Möhrchen respektive Frühlingszwiebelchen hat außerhalb der klimatisierten Wände gerade mal eine Halbwertszeit von einer halben Stunde, geschätzt. Die Butter braucht jedenfalls gerade mal zwei Minuten um von einem tiefgekühlten Betonblock zu cremiger Streichzärte zu gelangen und weitere zwei bis sie sich in gelbe Fettsoße verwandelt, vielen Dank.

Apropos Hund: Kalu hat die Chose nicht gut überstanden, das ist übel. Er war krank zwischendurch, fast 40 Grad Fieber, hat kaum gefressen und war, als wir ihn abholten, ein Bild des Jammers: Öhrchen ganz nach hinten geklappt, strichdürr: Ich konnte jede einzelne seiner Rippen zählen, durch das dichte Fell, wohlgemerkt, er guckte mir nicht mehr in die Augen, spielt nicht mehr und, der Eindruck drängt sich einem auf, hat große Einbußen im Hinblick auf sein Selbstbewusstsein erlitten: Er ist einfach nicht mehr der Alte, der mit mir sprechen konnte (und wollte) und der anfing zu singen, wenn ich es tat. Vertrauen? Dahin.

Langsam scheint er sich zu berappeln, Bachblüten und Homöopathika sei Dank, dennoch ist dieser erste Testlauf eine niederschmetternde Erfahrung. Da hilft nur: Ihn an die neue Umgebung zu gewöhnen, Tagesbesuche bei The Pawsh, bei denen ich bleibe, oder ihn abends wieder abhole, nur damit er, verdammt nochmal, ein wenig Vertrauen gewinnt, er ist so ein großes Sensibelchen. Mir scheint, Kalu braucht eine persönliche Krankenschwester zum Überleben und das ist schwer zu gestalten, denn kann man das von Fremden verlangen? Ich werde es müssen. Also, auch die Leute bei The Pawsh trainieren.

Tja, und Kerala?

Es war schön, wenn auch nicht unbekannt, weil U. und ich dieselbe Tour schon einmal gemacht haben, nur dass wir jetzt zu Viert auf dem Hausboot waren und drei sehr erholsame Tage geschippert sind – Reisfelder, Palmen und: Reisfelder. Reisfelder zum Abwinken, 5000 acres Reisfelder = 2000 Hektar Reisfeldgrün – eine Farbe, die es nur in diesem Zusammenhang gibt, und die eine ungemein beruhigende Wirkung auf die Psyche hat, so satt, so weich, dass man permanent mit einer Riesenhand darüber streichen möchte um die weichen Pflänzchen zu liebkosen. Sich waschende Menschen an den Kanälen. Kleine Hüttchen, aber auch schöne Häuser, das leise Tuckern des kleinen Motors aus dem Hinterteil des Schiffes, das so angenehm mit der Zeitlosigkeit der Umgebung korrespondiert – es war schön.

Ich werde, wenn der Gott der Hitze es zulässt, morgen ein paar Bilder einstellen, damit Ihr eine Idee bekommt, wie sich so eine Schiffstour anfühlt, was für Landschaften an einem vorbeiziehen, welche Stille von ihnen ausgeht. Ich finde: wunderschön.

Jetzt gehe ich wieder zu meinem kleinen Scheisser, der nicht fressen will und der mein Sorgenkind bleibt. Ich liebe ihn. Und ich hoffe, ich kann ihn ein weiteres Mal auffangen.

9 Responses to “The boiling cauldron”

  1. Kerstin says:

    Hallo Julia,

    auch ich jammere seit dem letzten Wochenende, nicht der Fruehling, sondern der Sommer hat erbarmungslos zugeschlagen. Leider bin ich auch noch erkaeltet, so dass die Hitze doppelt schwaecht.

    Und Kalu? Was soll ich sagen, schade, sehr schade. Aber hilf ihm, das Vertrauen wieder aufzubauen, er kann ja alles gar nicht verstehen, der Arme.

    LG
    Kerstin

  2. jules says:

    Hallo Kerstin!

    Ja, der Kleine betrübt mich sehr! Er ist so fragil. Und ich versuche, diesem Zustand gerecht zu werden, aber das ist nicht einfach, ich wünschte, er wäre ein klein wenig weniger sensibel und ein bisschen optimistischer – das würde alles erleichtern.

    Aber ich denke da spielt seine Historie auch eine Rolle – er ist dem Tod von der Schippe gesprungen und ist sicher verunsicherter als andere Hunde. Und definitiv kränker. Ich hoffe nur, dass ich ihn irgendwann einmal so stabil bekomme, dass er eine Abwesenheit von uns gut wegsteckt.

    Aber jetzt bin ich erst einmal zurück und knuddle ihn bis er nicht mehr kann.

    Gute Besserung für Dich trotz der Hitze!

    LG
    Julia

  3. tomX says:

    Welcome back in good old Pune!

  4. Daniela says:

    Hallo Julia,

    schoen zu hoeren, dass ihr Spass hattet.

    Ich frage mich gerade, ob ihr Kalu nicht mehr behalten wollt? Warum gibst du ihn an diese Leute ab? Vielleicht hast du das irgendwo schon mal erwaehnt, aber ich kann mich nicht entsinnen. Ich bin davon ausgegangen, dass ihr diesen Hund behalten wollt.

    LG
    Daniela

  5. sarangiji says:

    eines ist wichtig für so einen kleinen schwachen Hund: Kontinuität in Zuneigung und Vertrauen, Kontinuität in der Bezugsperson und den angewandten Erziehungsmethoden etc. Und wenn Jules ab und zu nicht dasein kann, muss er einen anderen konstanten Bezug (auch zu anderen Hunden) haben. Und einen Swimmingpool. Das alles hat er dort, germeinsdam mit den Besuchen durch Jules.
    Ist er mal über den Berg und stark, dann kann er ganz zu Jules.
    So ist die Sache meiner Meinung nach zu händeln. Richtig?
    Andreas

  6. anu says:

    ist schon schwer mit einem kranken Tier. Da muss man dann leider oft entscheiden, sich einschraenken oder eine weitere Bezugsperson aufbauen. Das Problem ist leider oft, dass Strassenhunde in solchen Einrichtungen nicht die selbe Aufmerksamkeit bekommen wie “Rassehunde” einfach weil die einfach viel “kostbarer” sind. So denken die meisten Inder, vor allem solches aus niedrigen Kasten die die normale Arbeit machen. Das ist ein Denken, dass so schnell nicht verschwindet. Strassenhunde werden mit Steinen verjagt, der Doberman/Schaeferhund/Labrador des Dienstherren mit Lammfleisch gefuettert und jeden Tag gebadet.
    Ich merke es selbst bei unseren Leuten. Meine “Rassehunde” Rufus und Dougal wurden immer mit viel Achtung und Respekt versorgt, unser kleiner Streuner Pius hingegen hoechstens mit Verachtung, weil “Madam” das so will. Sie trauen sich zwar nicht ihn schlecht zu behandeln, aber sie tun fuer Pius auch nur das Noetigste, obwohl er schon Jahre bei uns ist.
    So ist das, deshalb wird es in Indien immer schwierig sein gute Pflegestellen fuer Kalu zu finden.

    Ich habe lange ueberlegt mir wieder einen Welpen von der Strasse zu holen als neuen Haushund. Ich habe mich schliesslich dagegen entschieden, obwohl ein Strassenhund auch Vorteile hat. Er ist normalerweise robuster und weniger krankheitsanfaellig als ein “Rassehund” aus Europa. Indien ist kein gutes Land fuer Hunde, das merkt ja selbst Kalu, der immerhin aus einer jahrhunderte alten Selektion im Land selbst entstammt.

    Naja, ich druecke euch auf jeden Fall die Daumen. Wahrscheinlich ist es das beste, du bist erstmal fuer eine Weile da bis Kalu so stabil ist, koerperlich wie psychisch um auch mal eine Weile ohne Sonderbehandlung auszukommen. Ich hoffe das wird bald kommen. Ansonsten wirst du wohl gezwungen sein ihn immer wieder mitzunehmen was im Grunde genommen unrealistisch ist, da Kalu keine Schosshundgroesse hat.
    Jedes Tier ist immer auch eine Verantwortung die man aufnimmt und oft muss man sich selbst dafuer einschraenken. Das kenne ich gut genug. Zum Glueck habe ich wenigstens immer jemanden der sich gut um meine Tiere kuemmert wenn ich mal weg bin. Das beruhigt ungemein, obwohl ich mir trotzdem immer wieder Sorgen mache.
    Vielleicht solltest du mal nach einer Privatperson schauen, der du vertrauen kannst und die gelegentlich Kalu uebernimmt. Dann hat er auch seine Bezugsperson die er kennt wenn du nicht da bist. Hundepensionen sind nunmal eher unpersoenlich und fuer sensible Hunde nicht immer geeignet. Da kenne ich auch ein paar Geschichten.

    lg
    anu

  7. jules says:

    Hoppla, Ihr Lieben!

    Ich glaube, da ist etwas missverstanden worden: NATÜRLICH BLEIBT KALU BEI MIR! Für kein Geld der Welt würde ich ihn weggeben.

    Es geht nur darum, dass ich zu The Pawsh eine ständige Verbindung aufbauen will und Kalu dort mit allem besser vertraut machen will, eben WEIL ich das Beste für ihn will, wenn wir mal weg sind. Und das wird leider auch in Zukunft vorkommen, weil wir eben auch reisen wollen und müssen.

    Diese Leute sind schon in Ordnung: Sie sind vom Tierschutz und haben dieses 5-Sterne Hundehotel aufgemacht, mit Pool, versteht sich. Dass es Kalu dort nicht gut ergangen ist, lag schlicht und ergreifend daran, dass er sowieso ein verdammt mäkeliger Esser ist, dem sogar ICH gut zureden muss, damit er überhaupt etwas anrührt. Das, kombiniert mit Heimweh UND fremder Umgebung UND 40 Grad Hitze hat wohl dazu geführt, dass er so abgemagert war. Und natürlich die Tatsache, dass er das erste Mal erlebt hat, allein gelassen zu werden.

    Deshalb werde ich jetzt mindestens jede Woche zwei Mal zu The Pawsh fahren, um ihm zu zeigen, dass das sein “2. Zuhause” ist, und dass ich in einer für den Hund nachvollziehbaren Zeit (abends) wiederkomme, ihn nicht zurücklasse, so dass er Vertrauen gewinnen kann. Und vielleicht sogar Spaß haben mit den anderen Hunden.

    Abgesehen davon haben sie dann auch gut reagiert, als es ihm schlecht ging: Immerhin arbeitet The Pawsh mit einem der besten Tierärzte Punes zusammen, den sie dann auch sofort kontaktiert haben, der Kalu sofort behandelt hat und auf den ich mich verlassen kann (Ist jedes Jahr in Deutschland zur Fortbildung und arbeitet mit der Uniklinik Giessen zusammen).

    Glücklicherweise geht es Kalu wieder viel besser: Er spielt wieder und scheint sich gut von dem Schock erholt zu haben, abgesehen vom Essen. Da muss ich immer noch die Hühnchenleber-Stücke und das Lammhack von Hand füttern, damit sich der Junge überhaupt mal daran erinnert, dass er einen Magen hat.

    Aber, und das ist Mist: Die Zeit drängt, denn die nächste Reise wartet am Monatsende auf uns und diesmal dauert es nicht nur eine Woche, sondern zweieinhalb, bis wir wieder da sind. Der Mist ist, dass wir das alles schon gebucht haben, bevor Kalu zu uns kam. Seufz. Bis dahin muss Neha (und der Rest) von The Pawsh seine beste Freundin werden.

    Und, anu, von Privatpersonen habe ich aufgrund meiner ersten Erfahrung ziemlich die Nase voll: Da haben sie mir auch das Blaue vom Himmel versprochen und das war wirklich eine Katastrophe – Nein, nein, dann lieber die Profis von The Pawsh, die ein fürstliches Salär verlangen und die ich dann auch dazu verpflichten kann, alles, aber auch wirklich alles für den Hund zu tun, eben auch die Hühnerleberstücke von Hand zu füttern, wenn nötig. Und ich glaube auch nicht, dass die Leute von dem Hotel da zwischen Rassehund und Straßenmix trennen, denn die Hunde, die da sind, sind alles kleine Prinzen, so viel ist sicher.

    Aber vielleicht, ganz vielleicht, denke ich über die Anstellung einer live-in maid nach. Zur persönlichen Prinzen-Betreuung. Mannomann, ich hatte ja schon Hunde, aber dass es mit diesem kleinen Straßenköter hier so intensiv werden würde, hätt ich nicht gedacht.

    Aber wir bekommen das hin. Wahlspruch: Wille, Weg.

    Ich grüße Euch,

    J.

  8. anu says:

    naja ich meinte auch nicht eine Privatperson die das fuer Geld macht, sondern eher eine befreundete Familie, vielleicht auch Europaer die ihn mal fuer ein paar Tage nehmen.
    Geht er denn jetzt in den Swimming Pool?

    Das waere genau das richtige fuer meine gewesen. Rufus und Dougal waren leidenschaftliche Schwimmer. Pius leider auch nicht. Wenn ich waehrend des Monsuns Ausreiten war, dann ist er immer ueber die Pfuetzen druebergesprungen, bloss nicht nass machen!

    lg
    anu

  9. jules says:

    Hallo anu,

    bin gerade dabei, bei Freunden noch einmal zu fragen – würde mir auch ein besseres Gefühl geben, ganz einfach, weil Europäer ein anderes Einfühlungsvermögen zu haben scheinen. Und es sieht ganz gut aus. Ich glaube einfach, was Hunde in erster Linie brauchen, ist Zuwendung und eine Bezugsperson oder mehrere. Und das kann ein Profibetrieb sicher nicht so leisten wie eine Familie.

    Und das mit dem Schwimmen: NAJA. Er wird nie eine Wasserratte, soviel ist sicher.

    LG. Ich mail Dir die Details vom Hausboot morgen.

    Julia