Tod den Streunern.

Schlechte Aussichten für alle Straßenhunde in Maharashtra und Goa: “HC okays stray dog culling” – hinter dieser kryptischen Überschrift verbirgt sich eine schockierende Todesbotschaft für alle Streuner, wörtlich übersetzt: Der Highcourt in Mumbai segnet das Erlegen von streunenden Hunden ab.

Das Grundsatzurteil eröffnet gegen alle Argumente der am Prozess beteiligten Tierschützer die Jagd auf viele Hunderttausend frei auf den Straßen lebende Hunde, die nun mit staatlicher Absegnung getötet werden dürfen, sobald sie die Schnauze zu weit öffnen: Voraussetzung für die Lizenz zum Töten ist nämlich nicht, dass die Opfer aggressiv oder unheilbar krank sein müssen – nein, die Erregung öffentlichen Ärgernisses kann nach Meinung der Richter bereits gegeben sein, wenn die Hunde zuviel oder zu laut bellen.

Wer Indien kennt oder in dem Land lebt, weiß, dass das quasi jede Nacht der Fall ist: Überall bellen Hunde und verteidigen ihre Reviere. Das ist völlig normal. Bis jetzt war es das auf jeden Fall.

Sechs Wochen Schonfrist wurde den Vierbeinern zugestanden, dann werden Organe der Stadtverwaltung die Straßen nach störenden Subjekten durchkämmen: Welcher der Hunde leben darf und welcher sterben muss – dafür scheint es keine genauen Verwaltungsrichtlinien zu geben, sondern im Ermessen der jeweiligen Verwaltungsmitarbeiter zu liegen. Und genau diese Ermessensregelung ist schlimm: Ich sehe sie schon vor mir – Engstirnige Schergen, die auf Law and Order pochen und es genießen, dass sie nun endlich mit dem Gesetz auf ihrer Seite für Ordnung sorgen können: Du bist räudig, Hund, tja, hast leider Pech gehabt, Lebensberechtigung verwirkt. Peng!

Man kann nur hoffen, dass dieses Szenario nicht Realität wird.

Dennoch: Es ist ein bitteres Ende eines langjährigen Streits und ein Armutszeugnis für die indische Politik, die es über Jahrzehnte versäumt hat, die Hundepopulation durch Sterilisationen zu kontrollieren und durch Impfungen gesund zu erhalten.

Ich möchte nicht hier sein, wenn die Hatz beginnt, denn mir wird das Herz brechen, wenn ich mitansehen muss, wie die Hunde auf nimmer Wiedersehen in irgendwelchen blauen Lastern der Stadtverwaltung verschwinden um an ihren Todesort deportiert zu werden, nur weil irgendein Hundehasser aus der Nachbarschaft ein Rudel wegen nächtlicher Ruhestörung angezeigt hat. Ich würde -und werde- mich ihm in den Weg schmeißen. Oder werden sie die Hunde an Ort und Stelle töten?

Und: Was wird aus Knickohr, Ma und Kleiner, meinen Baustellenhunden? Wie lang werde ich sie noch sehen?

Wie still wird es sein, wenn keine Hunde mehr bellen, die für mich auch Ausdruck einer großen Vitalität dieses Landes sind und Ausdruck einer unglaublichen Großherzigkeit seiner Bevölkerung, die all diese Vierbeiner trotz aller Armut mit durchgefüttert hat?

Hoffentlich nicht totenstill.

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5 Responses to “Tod den Streunern.”

  1. Kerstin says:

    Hallo Julia,

    sorry, aber fuer mich typisch, wie hier wieder “corrective action” durchgefuehrt werden. Anstatt an der Wurzel zu beginnen (Sterilisation, wie Du es bereits gesagt hast), zaeumen sie das Pferd mal wieder von hinten auf und das nach ich weiss nicht wie vielen Jahren/Jahrzehnten. Auf der einen Seite hast Du recht, ist die Bevoelkerung sehr tolerant (lethargisch??) den Hunden/Tieren gegenueber, auf der anderen Seite ist ein Lebewesen leider nicht viel wert in diesem Land. Aber eigentlich sollte es das, huldigen sie doch einer Kuh…..Da ist es wieder, das Land voller fuer mich unbegreiflichen Gegensaetze und Loesungen, die man auch anders gestalten koennte.

    Weisst Du, warum es ausgerechnet den wilden Hunden an den Kragen gehen muss? Die tun doch keinem was, ausser nachts vielleicht auf die Nerven gehen, aber das dauert ja in aller Regel nicht lange (im Gegensatz zum Haeuserbauen die ganze Nacht..). Meine nunmehr fast mehr als zweijaehrige (insgesamt) Indien-Erfahrung: noch nie, nie, nie hat mich ein Hund angegriffen oder ist mir hinterhergerannt. Somit kann ich eigentlich fast nicht glauben, dass sie es wirklich sein sollen, die Tollwut uebertragen.
    Ausserdem ist dieses Land doch selber schuld, indem es seinen Muell aber auch ueberall rumschmeisst, so dass alle moeglichen Tiere auch gut Nahrung finden. Wenn sie dies mehr in den Griff bekommen wuerden, dann noch sterilisieren, ginge die Population aus meiner Sicht auf natuerliche Weise zurueck und man braeuchte diesen Akt der Gewalt und Sinnlosigkeit nicht.

    Viel wichtiger waere aus meiner Sicht, die elenden Ratten zu beseitigen. Denn die sind wirklich gefaehrlich, da sie (wie wir aus Europa ja wissen) toedliche Krankheiten uebertragen. Und auch die finden nur deswegen Nahrung, weil der Muell ueberall rumliegt (bei mir im Appartement-Haus schmeissen einige Leute ihren Muell sogar einfach aus dem Fenster, da faellt mir positiv betrachtet einfach nichts mehr ein).

    Ach Indien, Du moechtest eine Weltmacht sein, dann tu doch endlich mal was an der Basis anstatt bloede Atomraketen zu bauen, die die Welt nicht braucht. Denn schon mal darueber nachgedacht, was danach kommt? Da braucht man sich dann um streunende Hunde auch keine Gedanken mehr zu machen….

    Eine entsetzte Kerstin schickt Dir trotzdem sehr herzliche Vierte-Advent-Gruesse nach Pune in der Hoffnung, dass es Kalu heute wieder ein bisschen besser geht.

  2. Teodoraa says:

    So wird es zumindest mit wilden Hauskatzen in Deutschland gemacht, sie werden sterilisiert/kastriert und dann in ihrem alten Revier wieder angesiedelt. Da sie sich nur um ihr Revier, aber nicht um Fortpflanzungskämpfe sorgen müssen, sind sie gesünder und können so andere Katzen auf Jahre fernhalten, produzieren aber keinen neuen Überschuss – das sollte so ähnlich auch für Hunde gelten, auch wenn es dann wahrscheinlich ein Rudel ist, das das Revier beansprucht und kein Einzelgänger. Und zumindest in Dombivili (Vorort von Mumbai) habe ich hin und wieder Hunde erlebt, die bereits so krank waren, dass sie vor Schmerzen aggressiv wurden und wenn ich den Beitrag oben richtig verstanden habe, dann durften diese Hunde bereits vorher getötet werden – macht aber keiner…insofern vermute ich, dass es sich auch bei dem neuen Urteil, um eine Regel handelt, dass es zwar gibt, aber nur für einige Zeit oder fast gar nicht angewendet wird ( und in den Gebieten, in denen es darauf ankommt hundefrei zu sein (Touristenschwerpunkte, Staatsbesuche etc.) wurden Hunde sicher auch schon vorher ohne Regelung entfernt…

  3. Stefanie says:

    Mir bricht bei sowas immer das Herz.
    Was wär ich nur ohne meine Streunerlea….

  4. jules says:

    Liebe Kerstin,

    leider, leider muss ich Dir beipflichten, widerum in allen Punkten:

    Ich teile Deine Ansicht, dass die Hunde hier in aller Regel Menschen gegenüber sehr handzahm sind: Auch mir ist hier noch nie, noch nicht mal ansatzweise etwas passiert.

    Aber ich konnte leider häufig beobachten, dass viele Inder Angst zu haben scheinen und das ist schade, denn das merken die Hunde natürlich auch und suchen sich natürlich gerade die Angsthasen heraus, um ihr Imponiergehabe zu starten. Ich habe den Eindruck, dass viele Inder einfach kein Verhältnis zu Hunden haben, geschweige denn sich mit Hundepsychologie beschäftigen.

    Auch mit dem Müll und den Ratten hast Du recht: Ich habe mich schon furchtbar darüber aufgeregt, dass selbst in Haushalten von gebildeten Indern die Plastiktüten mit Müll in hohem Bogen aus dem Fenster fliegen, aufs unbebaute Nachbargrundstück: Ist ja so praktisch!

    Als ich meine Nachbarin über mir darauf angesprochen habe, allerdings ziemlich wütend, meinte sie achselzuckend: “Wieso, ist doch nur Biomüll?!”

    Klasse, den lieben Ratten besonders! Und die Plastiktüte ist bestimmt biologisch abbaubar – so in 20 Jahren…

    Aber so ist es hier.

    Herzliche Grüße nach Bangalore, ich bin sicher, wir lesen uns noch 😉

    Julia

  5. jules says:

    Hallo Teodoraa,

    wollen wir hoffen, dass das einfach ein Papiertiger wird und diese barbarische Regelung nicht zur Anwendung kommt. Ich wünsch es mir von Herzen.

    Und mit dem Abtransport hast Du leider recht: Ich habe schon diese Transporter gesehen, in denen Hunde eingesammelt wurden und einfach verschwanden.

    Auch bei einem indischen Freund von mir, der in seinem Heimatdorf einen Stray adoptiert hatte, haben sie in seiner Abwesenheit eine Razzia gestartet und alle Hunde eingesammelt. Obwohl er der Sache durch alle Instanzen nachgegangen ist, ist sein Hund nie mehr aufgetaucht. Weg. Gekillt.

    Schlimm ist nur, dass das jetzt rechtlich zulässig ist und nicht eine illegale Einzelaktion.