Beware of Uniforms

Tja, das ist schon was: Zurück in Pune und gleich wieder Ärger mit der indischen Bürokratie. Diesmal war es die indische Post, die mich so richtig schön hat auflaufen lassen: Bevor ich nach Indien kam, hätte ich nie gedacht, dass es ein Land geben könnte, das bürokratischer und unflexibler als Deutschland ist – in Indien werde ich eines Besseren belehrt. Ganz banales Grundszenario: Als ich vor drei Tagen nach Hause kam, fand ich in der Post ein Mitteilungsschreiben vor, dass ein Postbote versucht hätte, einen “registered letter” zuzustellen, was aber wegen Abwesenheit meines Göttergatten nicht möglich gewesen sei. Soweit, so gut. (Wobei sich die Frage stellt, warum der Postbote den Brief nicht einfach in den Briefkasten geworfen hat oder ihn unter der Tür durchgeschoben hat, so dick war er ja nicht? Aber o.k., das ist bei uns auch so und warum soll man da meckern).

Auf dem Zettel stand weiterhin, dass das Einschreiben in dem großartigen Zeitraum zwischen drei und fünf Uhr nachmittags in der GPO abgeholt werden könne, unter Vorlage eines Ausweispapiers. Ich ließ mir zwei Tage Zeit. Gestern rollte ich dann mit Schnarchnase Hafeez durch das Tor der GPO, pünktlich um drei Uhr. Dazu muss man anmerken, dass es bei der GPO in Pune mindestens vier Gebäude gibt, die mehr oder minder wahllos auf dem Gelände verteilt sind, aber: Ätsch!, das kannte ich schon, wusste also, wo ich aufschlagen musste.

Dann also herein, in die gute Stube. Vorbei an Menschen, die halbvergammelte Folianten mit (redundanten?) Informationen füllen, desolaten Schreibtischen und überfüllten Ablage-Regalen. In den nächsten Raum: Drei Menschen sind anwesend: Sie machen Schreibübungen, tief konzentriert über große Kladden gebeugt, erledigen sie eine nur ihnen verständliche Buchführung – Hallelujah – so funktioniert Indien.

Niemand blickt auf, ich werde ignoriert, weil alle so geschäftig sind: Ich sage also, aufgerichtet, herrschend, dass ich diesen Brief abholen wolle und knalle die Benachrichtigung nebst unserer Pässe auf den Tisch, an dem zwei der drei Beschäftigten ihre Buchwurm-Aktionen durchführen. Einer der Buchwürmer windet sich und holt, ohne Ansehung meiner Person, einen Stapel eng verschnürter, eselsohriger Briefe aus einem nahegelegenen korrodierten Stahlschrank, den er an einem der Nebentische durchsieht. Als er nach fünfminütiger Inspektion nichts findet (Häh? Kopfkratz!), reicht er mir den Stapel hin, ich möge doch auch noch einmal gucken. Zweifelt er an seiner Kompetenz?

Egal. Auch ich finde nichts, aber im zweiten Stapel, den der ratlose Buchwurm aus dem Schrank zieht, dann das Erleuchtungserlebnis: Gefunden! Er legt mir stolz den verknüddelten Brief vor, und ich kann soviel entnehmen, dass er offensichtlich von einer Engineers Association verschickt wurde – keine Ahnung, soweit ich weiß, ist U. nicht Mitglied in irgendeinem Verband dieser Art. Dann erinnert sich Buchwurm daran, dass ja auch noch eine Ausweisprozedur fällig ist: Ich deute auf die Pässe, aber das gefällt ihm nicht. Obwohl ich bereits am Anfang der ganzen Aktion darauf hingewiesen habe, dass ich den Brief für meinen Mann abholen möchte, fängt Buchwurm an, herumzunörgeln: Nein, er kann mir den Brief so nicht aushändigen, auch wenn ich den Pass meines Mannes dabei habe, ich würde einen “Authorization Letter” benötigen, dabei bleibt es, und damit basta.

Grollend ziehe ich von dannen, nicht allerdings, ohne auf dem Hof kehrtzumachen: Was für eine höherwertige “Authorization” als den Pass meines Mannes, das wichtigste Ausweisdokument in Übersee, bitteschön, soll es denn geben? Habe ich ihn geklaut, des nachts entwendet, bin ich hier, um den Brief meines Mannes zu stehlen, oder WAS-GLAUBST-DU-KLEINER-SCHEISSER-EIGENTLICH?

Nun gut, das sind nicht die Worte, mit denen ich in das unselige GPO-Büro erneut betrete, aber so ähnlich. Während sich Bücherwurm zwei vor Scham windet, bleibt Buchwurm eins hart: Ohne (Authorization-)Letter kein Letter.

Auch o.k. Ich habe U. jedenfalls gesagt, dass er in Zukunft seine Briefe selber abholen kann. Ein bisschen, nur ein kleines bisschen Mitdenken, oder, nennen wir es: Mitgefühl, wären von Nöten gewesen, um mir den Brief auszuhändigen. Aber nein – India has it´s rules and regulations und dabei bleibt es. Keine Anwendung von Intelligenz. Vielleicht hätte ich mit Geld nachhelfen sollen, nur so, zum Spaß.

Dieser Brief jedenfalls wird weder von mir, noch von U. jemals abgeholt werden – er kann meinetwegen in dem Laden verschimmeln, wie der ganze Rest in den verrotteten Stahlschränken. Das macht keinen Unterschied. Es lebe Indien!

PS: Ich habe eine ganze Reihe feiner, kooperativer, williger, ambitionierter, toller Leute in Indien kennengelernt – bislang hatten sie niemals eine Uniform an.

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7 Responses to “Beware of Uniforms”

  1. Daniela says:

    Oh ja, die indische Post schlägt sie alle. Ich darf mir meine Päckchen auch selber abholen, weil der Postbote zu faul ist, sie mir zu bringen (bin ja immer zu Hause, wenn er mir den kleinen Abholzettel gibt). Und obwohl er weiß, dass es im Einzugsgebiet dieser gewissen Postfiliale nureine Person mit meinem namen gibt, muss ich doch jedes Mal sowohl meinen Ausweis als auch einen Beleg mitnehmen, dass ich wirklich da wohne. Ich reiche also meinen Ausweis rüber, um zu beweisen, dass ich der Empfänger des Paketes bin, aber das allein genügt ja nicht. Nun steht in meinem Ausweis ja keine Adresse. Also muss ich noch die Telefonrechnung rübereichen (die gilt als Adressbeleg, und wer weiß, wie schwer es ist, so ne dämliche Leitung zu bekommen, der weiß auch, warum das gilt), aber da steht widerum mein Name nicht drauf. Ich habe aber noch einen kleinen Vermerk im Ausweis, wo der Name meines Gatten drin steht, aber auch das hat den Herren Postmaster zu Anfang nicht überzeugt. Nein, so geht das nicht…. Nein, woher soll ich wissen, dass sie da wohnen…. Na ja. Ich rege mich auch gar nicht mehr auf….. Hat ja alles keinen Sinn. Zu Diwali gabs trotzdem Postmann-Bakschisch.

  2. jules says:

    Hi Dani,

    what should I say: The beauty of surrender. That´s what India is teaching us.

    ;-), Julia

  3. anu says:

    irgendwie musst du deinen Postboten veraergert haben Daniela! Meiner bringt mir anstandslos die schwersten Packete ohne Mucken, auf seinem Fahrrad. Er gibt sie zwar immer bei meinen Schwiegereltern ab, aber gut, wir wollen nicht kleinlich sein 😉
    Wir wohnen schliesslich genau oben drueber.

    Ich musste einmal ein Packet abholen, weil niemand zu Hause war. Also zum GPO gefahren und das Empfangsscheinchen hingelegt und ohne irgendwelche Probleme das Packet bekommen.
    Ohne Ausweis, ohne Telefonrechnung. Ganz einfach, und das obwohl der Adressat mein Sohn war, der mich natuerlich NICHT begleitet hat, weil er in der Schule war. Manchesmal liebe ich die Kleinstadt Udaipur 😉

    lg
    anu

  4. Andreas says:

    Der entscheidende Fehler war vielleicht das Hinknallen:
    „Ich sage also, aufgerichtet, herrschend, dass ich diesen Brief abholen wolle und knalle die Benachrichtigung nebst unserer Pässe auf den Tisch,….“

    Sagt uns doch schon der indische Film: die netten sympathischen Menschen erwecken oft Mitgefühl und kommen da weiter, wo die bürokratischen Hürden hoch sind. Außerdem sollten Frauen nie aufrecht, herrisch und knallend sein!!!!

    Gruß
    Andreas

  5. jules says:

    Doch, doch, mein Lieber, doch, doch: Auch Frauen haben ein Recht darauf, aufrecht, herrschend und knallend zu sein; das ist kein Privileg angepesteter Männer.

    Ich glaube nicht, dass es etwas verändert hätte, wenn ich als unterwürfiges Mäuschen unterwegs gewesen wäre – Manche Menschen sind einfach Korinthen-Kacker und sie bleiben es!

    LG

    Julia

  6. adam says:

    Ich kenne diese Erfahrung auch. Aber warum die indische Post so buerokratisch ist, muss man die Englaender danken, weil die Post die gleichen Regeln folgt, wie vor 60 Jahren. Und alles wird noch mit dem Hand gemacht, wie damals. Moderne Technologie? Fehlanzeige! In dem Fall werden die Postarbeiter sicherlich streiken. Aber was du alles fuer einem “Registered’ Brief machen musstest ist richtig. Registered Post darf der Postbote nur gegen dem Unterschrift des Emfaengers oder gegen einem Authorization letter geben. Das ist gerichtlich so geregelt. Oft werden auch gerichtliche oder wichtige amtliche Mitteilungen usw. per Registered Post geschickt, weil das vor einem Richter standhaft ist.

  7. Daniela says:

    Dieser Postangestellte ist einfach ein Erbsenzaehler. Er war schon vom ersten Mal an so. Da gibt es noch so einen im selben Amt, der seine “Macht”position ausnutzt, aber alle anderen sind zuvorkommend und nett.
    Ich denke, man hat die Pakete nicht mehr gebracht, weil sie jedes Mal angefressen waren. Von Ratten. Und beschaedigte Post wird generell nicht ausgeliefert.