Yes, they can. And, yes, they did.

Es gibt Tage, an denen ich unheimlich dankbar bin. Dankbar dafür, dass Menschen trotz allem Egoismus und Besitzstandsdenken ein Einsehen haben und dass sich diese Einsicht gerade dann zeigt, wenn sie am nötigsten gebraucht wird. Gestern war so ein Tag. Gestern hat die Mehrheit des amerikanischen Volkes sich gegen Repression und Kriegsverherrlichung im Namen von Demokratie und für Gewaltlosigkeit und Dialog entschieden.

Und es hat ein Zeichen gesetzt, auf das alle Afro-Amerikaner seit der Anerkennung ihrer Bürgerrechte durch den Civil Rights Act von 1866 gewartet haben: Mit der Wahl eines schwarzen Präsidenten in das höchste Amt der USA sind die Träume eines Martin Luther King und einer Rosa Parks Realität geworden.

Ich weiß noch, wie ich mit 13 Jahren meine Nase nicht mehr aus dem Buch “Der gewaltlose Aufstand” von Hans-Georg Noack bekam, weil ich fassungslos war angesichts der Brutalität, mit der das weiße Establishment seine Pfründe verteidigte und begeistert von dem Intellekt und der Seele Martin Luther Kings, der Aggression, Unterdrückung und Demütigung mit Gewaltlosigkeit beantwortete. Das waren Menschen, denen es nachzueifern galt, das waren Vorbilder, so wollte ich leben!

Es kam alles ganz anders. Doch gestern, um 11.30 Uhr indischer Zeit, nachdem die Wahlergebnisse aus Washington DC, Virginia und Kalifornien über den Bildschirm tickerten und die Zahl der Wahlmänner für Barack Obama die magischen 270 überschritten hatten, fühlte ich sie wieder: Diese tiefe Befriedigung, wenn einmal, nur einmal auf dieser Welt etwas von großer Bedeutung geschieht, das einem den Glauben an die Menschheit stärkt. Das können wir alle gut gebrauchen, dafür bin ich dankbar.

Ich halte Barack Obama neben seinen intellektuellen und rhetorischen Fähigkeiten vor allem für einen Realisten mit Rückgrat, Integrität und Gewissen. Und es ist schön, dass seine Kampagne nach eigener Aussage nicht in den “White Halls of Washington” geboren wurde, sondern auf den Straßen von Illinois oder den “front porches of Charleston”, with little bucks, mit kleinem Geld des kleinen Mannes. Er ist ein Mann aus dem Volk und er hat hart und ungeheuer diszipliniert kämpfen müssen, um dahin zu gelangen, wo er heute steht. Das, unter anderem, macht ihn glaubwürdig. Er ist kein Hexer und er verspricht kein Hexenwerk: “The road is going to be long, the climb is going to be steep” sagte er in seiner Anerkennungsrede im Grant Park, Chicago. Ihr werdet es alle gesehen haben. Er weiß, was auf ihn zukommt.

Dennoch, ich finde viele seiner Formulierungen so treffend, so präzise und bewegend (abgesehen von den patriotischen Anklängen, ohne die Amerika jedoch nicht Amerika wäre), dass ich an dieser Stelle noch einmal die links poste, auf denen er zu sehen und seine Worte zu hören sind. Ich wünsche ihm und damit uns allen, dass es ihm gelingt, seine Ziele mit den von ihm gewählten Mitteln des Dialogs und der Gewaltlosigkeit zu erreichen. Möge er ein Mann des Friedens und der (ökonomischen) Stabilität werden. Es ist uns allen zu wünschen.

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3 Responses to “Yes, they can. And, yes, they did.”

  1. Kerstin says:

    Mir ging es gestern Mittag genau wie Dir (wobei ich am Vortag schon sehr ueberzeugt von seinem Sieg war). Ich stand nur da mit offenem Mund und ein Kribbeln ging mir den Ruecken runter und ein tiefes Gefuehl des Vertrauens und der Hoffnung stellte sich ein.

    Endlich hat schwarz ueber weiss gesiegt, um es mal ganz platt auszudruecken (zum zweiten Mal nach Nelson Mandela). Ein Mensch, bei dem man das Gefuehl hat, er sagt und macht nur das, was er denkt (und nicht das, was ‘man’ von ihm erwartet) und das ist erstmal alles sehr positiv. Was muss das fuer eine tiefe, tiefe Befriedigung fuer die Farbigen in Amerika (vielleicht auf der ganzen Welt) gewesen sein, einen aus ihren Reihen zu sehen, der mit eigener Kraft und Intelligenz (nicht mit Papas oder Bruders Hilfe) diese schwere Huerde genommen hat und bereit ist, diese Verantwortung zu tragen. Wenn er auch nur die Haelfte von dem macht, was er angekuendigt hat, werden dies Meilensteine in der Geschichte der Menschheit sein.

    Aus weiblicher Sicht freue ich mich, dass er einigen sinnlosen Kriegen in dieser Welt ein Ende setzen will. Er ist kein Cowboy, der Spass am Kriegspielen hat. Wie Du gesagt hast, er kennt die Sorgen des “kleinen Mannes” und das macht ihn zu etwas Besonderem.

    Ich jedenfalls wuensche ihm die Kraft, die er brauchen wird. Er soll sich nicht in diesen politischen Strudel ziehen lassen, sondern weiterhin mit offenen Augen durch die Welt laufen. Aber ich glaube, genau das wird er tun.

    Eine noch immer sehr angetane
    Kerstin

  2. Andreas says:

    Obama ist ein Hoffnungsträger mit Charisma.

    Auch ich wünsche ihm und uns mit ihm alles Gute.

    Aber ein bisschen Kritik und Reflexion ist angebracht:

    Charismatiker:

    Obama versteht es Erwartungen zu wecken und arbeitet mit zugkräftigen Schlagworten wie „change“. Das kann jeder verstehen. In der gegenwärtigen Situation glaubt jeder (Amerikaner und andere) gerne, dass es nur besser werden kann und das natürlich mit einem jungen charismatischen Ausnahmemenschen eher als mit einem 75jährigen Durchschnittspolitiker. Auch wir Deutschen haben Erfahrungen mit chrismatischen Figuren, die in wirtschaftliche schlechten Zeiten plötzlich auftreten und riesige Massen beeinflussen, nicht?
    Es sagt mir schon viel, dass auch Ihr in Indien und andere in der ganzen Welt sich durch seine Art beeinflussen läßt.

    Extreme sind mir immer suspekt. Wenn ich eine Beeinflussung spüre, wie Ihr sie beschreibt, mit Kribbeln und evtl. Tränen in den Augen, dann klingeln bei mir alle Alarmsirenen.

    Amerikaner und Politiker:

    Er ist doch hauptsächlich ein Amerikaner und wird amerikanische Interessen vertreten. Er ist auch ein Politiker und er macht wie die anderen viele Versprechungen, von denen er sicher jetzt noch nicht weiß, ob/wie er sie umsetzen kann. Er redet wie alle Politiker nach dem Mund der zu erwartenden Mehrheit. Er ist kein selbstloser Heiliger und falls er einer wäre, hätte er die gleichen Konsequenzen wie viele, die man auf der ganzen Welt an Verkaufsständen mit Heiligenbildchen bewundern kann, zu befürchten, ob JFK, RK, MLK, oder Jesus: frühzeitigen Tod.

    Farbiger:

    Amerika hat einen Farbigen zum Präsidenten gewählt. Aber er wurde als Kandidat aufgestellt nicht primär weil er schwarz ist sondern weil man (die Partei) sich aufgrund seines Charismas einen politischen Sieg versprach.

    Unabhängiger:

    Er hat (auch über die Farbe) die Minderheiten mobilisiert. Und jetzt werden sich die weißen (extremen) Randgruppen überlegen, ob sie damit leben können oder wollen. Die Rüstungsindustrie wird sich Gedanken machen, ob seine Politik noch genügend Profit verspricht. Diejenigen, die nach der Verschwörungstheorie in Amerika nach der Weltherrschaft streben, werden sich überlegen, wie sie ihn in ihr Konzept zwingen können. Vielleicht kribbelt es da vielen nicht im Rücken sondern in den Fingern.

    Hand Gottes:

    Many American’s certainly hope, there are God’s hands leading Obama, like in Loretta Lynn’s song:
    God, bless America again, You see all the trouble that she’s in, wash her little face, dry her eyes and then, God bless America again.

    Und da ein starkes Amerika uns allen zugute kommt, hoffe auch ich, dass Gott oder die Götter seine Hände in die richtige Richtung führen. Dass er sich die richtigen Hände zur Hilfe sucht und nicht in die falschen Hände fällt.

    Gruß
    Andreas

  3. Kerstin says:

    Hallo Andreas,

    volle Zustimmung von mir. Nun gilt es, die gemachten Versprechungen einzuloesen, aber das ist ja nach einer Wahl auch nichts Neues.

    Lassen wir uns einfach ueberraschen, zumindest hat er ein paar Ansatzpunkte, die mir viel besser gefallen als von seinem Vorgaenger. Wir werden sehen, ob er seine Linie behaelt und sie vor allem im Congress durchsetzen kann.

    LG
    Kerstin