there’s a goat in every corner…

Pune Glitzerstadt? So jung, modern, schick und so neu? So möchten sich die Stadtväter von Pune gern verstanden wissen, gerade in Anbetracht der 3. Commonwealth Youth Games, die gestern hier eröffnet wurden und die internationale Aufmerksamkeit garantieren.

Auch wenn man an den zahlreichen Luxus-Bauprojekten der Stadt vorbeifährt, könnte man meinen, ganz Pune wäre in einen gigantischen Geldnapf gefallen und es ginge allein darum, den Freunden (und Feinden) zu beweisen, dass man es geschafft hat – man wohnt heute im “Soul Space”, in der “Comfort Zone” oder im “Sunshine Hills”, riesigen abgeschlossenen, eingezäunten Wohnanlagen, die vom Kindergarten über Schulen und Sportplätze alles beherbergen, was man zum Leben braucht und die man noch maximal zum Arbeiten verlassen muss. Man muss dem Straßenpöbel nur noch bedingt begegnen. Indien hat draußen zu bleiben! Schönes, neues, reiches Indien.

Das funktioniert aber nicht so. Überall schafft es das ungeliebte arme Indien immer wieder, sich selbst in den teuersten Gegenden der Stadt breit zu machen und man ist mittendrin, sobald man die Hauptstraßen und Neubaugebiete von flashy Pune verlässt. Then you get the real stuff.

Heute morgen kippte ich also aus unserer Haustür, schnappte mir mein rostiges Fahrrad (Call it Monsoon-Bike) und quietschte durch die Dörfer von Bund Garden. Ein-Raum-Häuser, Abwäsche (und anderes) in der Hocke auf der Straße, die Ziege, die ihr Grünzeug im Wohnzimmer frisst, das Wäschewaschen unter dem einzigen öffentlichen Wasserhahn, Shops mit einer Verkaufsfläche von einem halben Quadratmeter und plaudernde Menschen mit Zeit, unendlich viel Zeit, alles noch da. Ätsch.

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13 Responses to “there’s a goat in every corner…”

  1. Daniela says:

    Ganz tolle Aufnahmen! Und was für eine süße Katze! Man möcht sie gleich von der Kette befreien…

  2. jules says:

    Hi Dani,

    einpacken, das Kätzchen, sofort!
    Aber ich glaube, dann hätte ich Stress mit dem dicken Inder bekommen, der jeden meiner Schritte belauerte, als ich die Aufnahmen machte..War nämlich seine ;-))

  3. Andreas says:

    hallo Jules,
    wie machst Du das den eigentlich,
    gehst Du hin und fragst, ob Du die Leute fotografieren darfst, oder tust Du es einfach?
    Was für’ne Story erzählst Du ihnen, warum Du sie fotografierst?
    Halten die Dich für eine Touristin, die halt alles fotografiert – oder halt das armselige Leben als “Mitbringsel” für die Verwandten?
    Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Leute in den slums zu fotografieren – da werden Unterschiede exponiert.
    Hast Du ihnen für’s Posieren Geld gegeben?

    Ich will nicht provozieren, bin nur neugierig!

    Gruß Andreas

  4. jules says:

    Also,

    natürlich frage ich die Leute, ob ich sie fotografieren darf. Häufig ist das aber gar nicht nötig, denn fast jeder will hier gern fotografiert werden und drängelt sich von allein vor die Linse.

    Wenn die Leute fragen, warum ich sie fotografiere, antworte ich ihnen natürlich und erzähle ihnen, wie es ist: dass ich eine Website betreibe und in Indien lebe.

    Und warum nicht Leute in ärmeren Stadtteilen fotografieren? Sind das etwa keine interessanten Menschen? Und warum nicht die Unterschiede zeigen? Sie sind doch da!

    Geld ? Noch nie!

  5. Andreas says:

    „Und warum nicht Leute in ärmeren Stadtteilen fotografieren? Sind das etwa keine interessanten Menschen? Und warum nicht die Unterschiede zeigen? Sie sind doch da!“

    Das sind keine Tiere in Käfigen, wie im Zoo, die Du fotografierst. Das sind interessante „Tiere“, ja. Man kann die Unterschiede aufzeigen. Sie sind da! Gut.

    Und (wieder) siehst Du die Sache lediglich aus Deiner Sicht.

    Im Zoo in Lucknow sah ich ein Schild vor einer Gruppe von Käfigen, das ging:

    „Versetze Dich in Ihre Lage.“

    Man soll rücksichtsvoll sein und nicht gegen die Stangen schlagen, oder Steine in die Teiche der Krokodile werfen…Sie sind auch „Menschen“.

    Die Menschen in Deinen Bildern, die außerhalb der Gitter sitzen, also außerhalb dem wirklichen Dreck sind und vielleicht die Möglichkeit sehen, eines fernen Tages in die „Nähe“ einer eigenen Kamera zu kommen, bekommen durch Dich keine „Steine“ in den Teich geworfen.

    Die in den slums sehen das vielleicht anders.
    Du hast alles, sie haben nichts/wenig.
    Du kommst in ihren „Käfig“ und machst eine Foto Safari (schöne Bilder, zugegeben).

    Du schießt und sie spüren die Schüsse vielleicht auf ganz andere Art, als Du es Dir denkst.

    Hast Du ihnen gesagt, was Du für sie bei der Sache herausholst? Könnten sie es viel-leicht besser ertragen, wenn Du ihre niedrigen Lebensumstände fotografierst (die sie ja nicht frei aus eigenen Stücken gewählt haben, weil’s so schön ist) und sie wissen, dass dadurch sich ihr Los verbessert (oder meinen sie es nur fälschlicherweise)? Gibt es ih-nen eine Perspektive?

    Klagst Du an und setzt Deine Mittel für sie ein?
    Nein.

    Du zeigst (nur) wie es ist (und meinst vielleicht, es sei doch garnicht so schlimm).

    Mach was draus, hefte es zusammen und leg es den entsprechenden Stellen vor, damit sie was anfangen zu tun! Damit der Lebensstandard dieser Menschen gehoben wird.

    Damit wirst Du vom Fotosafafri -Touristen zum Naturparkmarshall.

    Liebe Grüße
    Andreas

  6. jules says:

    Du hast offensichtlich den absoluten Überblick. Meine Bilder den entsprechenden Stellen vorlegen?

    Ha Ha, der Witz ist klasse! Ich freue mich jedenfalls immer wieder über Deine kenntnisreichen Kommentare voller altruistischer Weisheit. Weiter so, Andreas!

    LG
    Julia

    PS: Die Häuser von Bund Garden sind kein Slum. Ein Slum hier sieht anders aus.

    PPS: Und noch einmal, zum Mitschreiben:

    1. Die Leute freuen sich, wenn ich sie fotografiere. Sie haben viel mehr Stolz und Selbstbewusstsein und Freude als Du Dir in Deiner westlichen Eingeschränktheit vorstellen kannst.

    2. Sie haben in ihren Einraum-Häusern Fernseher, Kühlschränke, Radios, Handies, Fotohandies und ich habe nicht das Gefühl, dass sie ihr Los als hart empfinden, denn Ihnen geht es vergleichsweise gut.

  7. Andreas says:

    Hallo Jules,

    ich freue mich, dass es Deinen blog gibt, damit ich meine westliche Eingeschränktheit etwas erweitern kann. Danke.

    Comments:

    “Sie haben in ihren Einraum-Häusern Fernseher, Kühlschränke, Radios, Handies, Fotohandies und ich habe nicht das Gefühl, dass sie ihr Los als hart empfinden, denn Ihnen geht es vergleichsweise gut.“

    Fernsehantennen hab ich auf den Bildern keine gesehen. Aber Fahrräder, Motorräder, also Statussymbole. Sie haben Arbeit. Und anscheinend trotzdem viel Zeit, wie Du schreibst. Aber ich sehe auch Abfall und Ärmlichkeit. Das was Du beschreibst:
    „Wäschewaschen unter dem einzigen öffentlichen Wasserhahn“ – Über die einzige
    Toilette sprichst Du nicht!.Hat die Wasserspülung?

    Ein slum, verglichen mit dem Rest von Pune (bund bhag, die Bezeichnung weist darauf hin, dass es mal ein Stadtgarten war, dann aber besiedelt wurde. Wilde Besiedelung ist „slum“, oder)?

    Die Stadtverantwortlichen müssen sich doch irgendwann einmal entscheiden, ob sie die Infrastruktur, sprich sanitären Anlagen bauen/ausbauen oder das slum abreißen.

    Du sagst also: alles wunderbar, alles paletti, es gibt
    nichts zu tun. Ein nettes Dörfchen. Oder?

    Wollen die Bewohner in den Hütten bleiben, oder bessere Häuser haben? Häuser, in denen auch shops und Werkstätten, Kleinviehaltung usw. möglich sind, aber halt alles auf höherem menschlichem Niveau? Was sagen sie, was sagt die Stadt?

    „Mach was draus,
    mach eine Umfrage unter den Beteiligten,
    kommentiere es,
    hefte es zusammen und leg es den entsprechenden Stellen vor, damit sie was
    anfangen zu tun! Damit der Lebensstandard dieser Menschen gehoben wird.“

    LG
    Andreas

  8. adam says:

    Ja, das Reichtum und die Armut stehen oft nebeneinander in Pune. Neben dem teuersten Viertel in Pune (Boat Club Road/Koregaon Park) gibt es auch Slums. Ich denke das ist normal. Viele Frauen aus dem Slums arbeiten als Maids bei den Reichen und die Maenner als Wachmaenner, Fahrer usw. Die Reichen sind an Ihre Dienste abhaengig und die anderen finden so Arbeit. Sie sind voneinander gewissermassen abhaengig und deshalb existieren sie nebeneinander. Ich denke, die Armen wohnen in dem Slums u. trotzdem haben viel Lebensenergie, weil sie in einer Gemeinschaft leben und teilen Ihre Probleme/Freuden miteinander. Die sind nicht deprimiert, was ein durchschnitts Europaer in diesem Verhaeltnissen nicht vorstellen kann

  9. jules says:

    Genau, Adam, insbesondere mit Deinem letzten Satz hast Du völlig Recht!

    Allerdings sind die Häuser in Bund Garden keine Slums: Ich würde sie eher mit Reihenhäusern der unteren Mittelschicht vergleichen. SLUMbewohner wohnen in Zelt-Siedlungen an den Ausfallstraßen der Stadt, schlafen auf nacktem Boden, ihre wenigen Habseligkeiten in eine Ecke des Unterschlupfes gepackt, ohne Wasser, geschweige denn Klo, Fernseher oder irgendwas, was hier als Status und Annehmlichkeit gilt. DAS sind Slums.

    Aber auch darüber werde ich noch schreiben.

    LG
    Julia

  10. Vitty says:

    Moin moin Julia,

    Ich finde das deine Bilder sehr toll ist 🙂 Und als Euroasianer kann ich nur bestättigen, was du und adam gasagt hat. Aus meine Sicht man müssen nicht alles habn um glücklich zusein. Hätte ich doch so viel Zeit wie du, wäre ich schon längst durch ganze China reisen. So bald blöde Chinaregierung den blöde Visa Politik endlich wieder aufhebt. (seit mitte März (und immer noch) kann man nur 2 entry visa beantragen (China und HK) und der rest der Welt kann man schon wieder Multi beantregen.(so ei ungerechte Welt) :_(

    Grußi aus Hongki

    Vitt

  11. jules says:

    Hey Vitt,

    das ist aber ein netter Besuch aus Hongkong! Freut mich, dass Dir meine Bilder gefallen. Hoffe, wir schaffen es noch, Dich zu besuchen, solange Du da bist.

    Zum Thema Reisen: Erst einmal ist ab morgen Kalkutta dran und dann ein bisschen Goa. Schnauf!

    Wir hören. Ganz liebe Grüße nach HKK,

    Julia

  12. Andreas says:

    Heute definiert UN-HABITAT den Begriff Slum als „Siedlung, in der mehr als die Hälfte der Einwohner in unzumutbaren Unterkünften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen leben“. Slumbewohner leben demnach „ohne Eigentumsrechte, unzureichenden Zugang zu sauberem Wasser, unzureichendem Zugang zu sanitären Einrichtungen und ohne ausreichenden Wohnraum“.

    Aber ok, das eine ist ein bisschen slum und das andere ist DAS slum.

    LG
    Andreas