Assai – ein Nachruf.

Assai – ich denke an Dich, Tag und Nacht, auch wenn Du nicht mehr bei uns bist. Aus meinem Fenster sehe ich auf die Stelle im Garten, wo wir Dich begraben haben, in dieser schrecklichen Nacht vor einer Woche, als es Zeit war, für Dich zu gehen. Eigentlich wollten wir Zuckerrohr auf Deinem Grab pflanzen, als Ersatz für die Zuckerrüben, die du mit Wonne aus den Feldern grubst und Dir stolz um die Ohren schlugst, so fett und lecker war die Beute, die Du jeden Herbst machtest und dann mit Hochgenuss verschlangst. Nun aber steht ein Topf mit Clematis auf deiner letzten Ruhestatt und Kaskaden von kleinen weißen Blütchen bedecken die nackte Erde. Ich hoffe, Du magst auch sie.

Assai, ich weiß nicht, wie ich all die Erinnerungen an unsere acht Jahre gemeinsamen Lebens zusammen fassen kann – ich kann es nicht. Was ich sagen kann, ist, dass ich jeden Tag, jede Stunde und jede Minute mit Dir genossen habe, dass ich Dich mit meiner ganzen Kraft liebte und ich glaube, Du mich auch. Dass nicht nur ich es war, die Dich beschützt, umsorgt und gepflegt hat, sondern dass Du mindestens ebenso sehr auf mich aufgepasst hast und für mich da warst. Jeder von uns wusste immer ganz genau, wie es dem anderen ging und tat dann das Seinige, damit es dem anderen besser geht.

Mein Gott, wie glücklich warst Du morgens, wenn für Dich alles nach Plan ging, ich nicht spät dran war und wir dann, nachdem Du mir Dusche und eine schnelle Banane zum Frühstück genehmigt hattest, die Tür aufschlossen und es endlich losging: “Raus, hinaus in die weite Welt, das Leben ist ein Abenteuer!” schienst Du mir zuzurufen, wenn Du durchbranntest, ganz fliegende Ohren, wehende Läufe, Rute in den Wind. Und ich lief mit Dir, flog mit Dir über grüne Wiesen und Getreidefelder, durch dichte Wälder und über eisige Äcker.

Ich kann die Male nicht zählen, an denen Du wusstest, dass ich traurig war und Du an meine Seite kamst, ohne dass ich dich gerufen hätte. Dann machtest Du nur einen halben Hüpfer um mir sanft über die Wange zu schlecken und ich beugte mich zu Dir hinab und dann standen wir für eine Weile da, vereint als Herr und Hund, ich meine Hand irgendwo auf Deinem schönen, starken stolzen Körper, bevor du wieder losflogst, Deine Hundewelt zu entdecken.

Ich denke daran wie häufig ich meine Nase tief hinter Deinen Ohren im Fell vergraben hatte, da wo Du so gut rochst, bis zu Deinem letzten Tag, immer ein wenig nach Welpe, immer ästhetisch, immer nach Dir; wie häufig ich Dich zudeckte, wenn Dir im Winter kalt war und Du dann mitten in der Nacht mit der Decke auf dem Rücken rübergeschlappt kamst, ins Schlafzimmer, um zu sehen, ob wir noch da waren.

Oh, Du konntest auch eigensinnig sein, halsstarrig, schwierig und anspruchsvoll: Nicht jedes Plätzchen war Dir recht, Kälte und Regen konnten Dir gestohlen bleiben und Zelttouren konnte man mit Dir vergessen, nicht luxuriös genug. Aber, mein Gott, Du hattest Stil!

Ich erinnere mich an einen Urlaub an der Atlantikküste, Südfrankreich, und wir standen an der großen Düne und Dir gefiel so ein selbstverliebter Paraglider nicht: Kurzerhand hobst Du Dein Bein und pinkeltest dem arroganten Fatzke schön die Schuhe voll, was er nicht mal merkte, weil er die Nase soweit oben trug. Mein Gott, wie sehr haben U. und ich gelacht!

Assai, niemand außer mir, U. und Timo verbindet mit Deinem Namen soviel Gefühl, soviel Verantwortung, soviel Liebe. Ich konnte Deinen Namen auf tausend Arten sprechen, und jedesmal war es für die jeweilige Situation die richtige: Weich, leise und schmeichelnd, wenn es galt, Dich wundervollen, mächtigen Kerl zu ermutigen, laut und streng, wenn Du zur Ordnung gerufen werden musstest, weil Du Dich mal wieder für den stärksten Hund der Welt hielst und meintest, alle Rivalen beseitigen zu müssen – das waren nur die Extreme. Dazwischen lag eine ungeheure Vielfalt an Nuancen, an Grautönen der Melodie, auf die Du schließlich hörtest, weil Du es so wolltest. Dazwischen lagen Monate, wenn nicht Jahre, des gegenseitigen Kennenlernens, Monate, anfangs, die nicht einfach für uns waren, weil wir für Dich schlichtweg nicht existierten. So stolz warst Du.

Aber das änderte sich irgendwann.

Wenn ich an Dich denke, liebe ich. Liebe diesen großen, braunen, stolzen, halsstarrigen Charakterkerl, der Du warst und der schneller laufen konnte als der Wind, dem kein Eichhorn zu weit, kein versteckter Kanten Brot, kein Dönerrest im Park zu versteckt war, um ihn nicht stolz und hocherhobenen Hauptes aus dem Gebüsch zu tragen und ihn mir widerwillig abzuliefern.

Und ich atme Freiheit. Die Freiheit unserer unendlich langen Spaziergänge, die Du uns geschenkt hast, einfach weil Du da warst, es Dich in unserem Leben gab. Spaziergänge durch grüne Sommerwiesen, sicher, aber vor allem Spaziergänge über durchweichte Felder, bei denen der Matsch hinterher zentimeterdick an unseren Stiefeln klebte, durch nasse Wälder, an grauen, regenverhangenen Novembertagen, bei denen wir alle rannten, weil uns kalt war und wir vier Stunden später total froh waren, wieder drinnen im Warmen zu sein. Aber, mein Gott, wir waren glücklich!

Ich werde all dies nicht vergessen, solange ich lebe. Nun ruhe sanft, mein starker, schöner, stolzer Kerl, in heiliger indischer Erde. Eine gute Wiedergeburt ist Dir sicher.

Ich liebe Dich.

Julia

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One Response to “Assai – ein Nachruf.”

  1. Lars says:

    Hey Julia,

    mir fehlen die Worte, dir zu schreiben, wie sehr ich mit euch fühle. Diese eine Zeile muss reichen. Ein zweites mal werde ich diesen Beitrag nicht lesen, um passendere Worte zu suchen, die ich nicht finden werde. Ich denke oft an euch, zuvor meist an Assai.

    xx
    Lars