Komplett indianisiert. Oder: Man ist nie allein.

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Als wir vor gut zwei Jahren anfingen, uns mit dem Leben in Indien vertraut zu machen, war die Lebensweise vieler Inder für mich völlig unverständlich. Zu sehr war ich es gewöhnt, allein zu sein, alle Dinge selbst zu erledigen und niemanden um mich zu haben, es sei denn, Freunde oder Gäste waren zu Besuch. Dauerhaft Menschen um mich zu haben, hat mich immer schon irritiert und ich betrachtete mehr oder minder missmutig die Anwesenheit Anderer als einen Eingriff in meine persönliche Freiheit. Ich war immer froh, wenn ich die Tür hinter mir schließen konnte und ich wieder allein war.

Deshalb war es damals auch völlig unverständlich, wie unsere indischen Vermieter, ehemalige Nachbarn und Freunde, Kishore und Amita, ihren Haushalt führten, zu dem eine live-in Maid gehört, zwei Fahrer, ein Koch, und ein Hausboy, der sich um alle Erledigungen kümmert, die sonst so anfallen. Das Haus von Kishore und Amita ist immer offen, auch wenn die Zwei nicht da sind: Dafür ist das Personal da und alle Belange des täglichen Lebens werden in ihrem Leben von der Background-Staff erledigt. Das heißt im Gegenzug aber auch, dass das Personal mehr oder minder über alle Deine Schritte Bescheid weiß, es weiß, was Du isst und trinkst, ob Du Streit mit Deinem Göttergatten hast, schlechte Laune oder Deinem Hund ein Furz quer sitzt. Kurz: Es weiß alles. Das war mir unheimlich.

Mein Öffnungsprozess für diese Lebensweise begann, als ich vor zwei Jahren meine erste Maid einstellte, Jothie, die tanzende Zigeunerin, die allerdings auch schnell wieder von der Bildfläche verschwand, genau wie ihre Nachfolgerinnen. Bis Shanti kam und mit ihr der Frieden einkehrte, der ihrem Namen alle Ehre macht; und Shravan, unser Fahrer, der ziemlich genau ein Jahr bei uns ist, unser Gärtner Jothiba, mein Mann der ersten Stunde, den ich von Amita mitübernehmen musste und für den ich ungeheuer dankbar bin, auch wenn er bei Amita längst rausgeflogen ist, weil er es wagte, nach vielen, vielen Jahren treuer Dienste eine winzig-kleine Gehaltserhöhung zu verlangen. All diese Menschen sind mittlerweile Teil meiner Familie, wir kennen uns gut und vertrauen einander und ich kann sie mir aus meinem Leben nicht mehr wegdenken. Und ich weiß nahezu genau so viel über sie, wie sie über mich.

Nun sind wir im neuen Haus und staunend bemerkte ich, als ich neulich ins Auto stieg, dass auch mein Haus längst offenbleibt, wenn ich zum Einkaufen gehe: Weil Shanti da ist, und Kalu, und der Tageswächter unser Grundstück bewacht und in der Nacht unser Nightguard im Carport Wache hält. Und wenn ich dann bei meinen Touren duch Pune Hunger bekomme und mir als erstes eine Masala-Dosa (Ein hauchdünner knuspriger Pfannkuchen mit ein wenig Kartoffelfüllung) mit leckerem Kokos-Chutney einfällt und mir bei diesem Gedanken das Wasser im Munde zusammen läuft, und ich mir nichts Leckereres vorstellen kann, als zum Abschluss einen heißen Chai zu trinken, dann, nehme ich an, ist der Indianisierungs-Prozess schon ziemlich weit fortgeschritten.

U. ist da im Übrigen ähnlicher Ansicht und wir werden bleiben, so lange man uns lässt. Hier, zu Hause, in Indien. Der PMC und ihren Hundevergiftungsaktionen und allen anderen Widrigkeiten zum Trotz.

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15 Responses to “Komplett indianisiert. Oder: Man ist nie allein.”

  1. Uwe says:

    Liebe Julia,
    ich wünsche Dir und Deinem U. (welch herrliche Abkürzung für einen 1a-männlichen Vornamen) alles Gute, Behaglichkeit und Glück im neuen Heim.
    einfach gesagt Brot und Salz reinwerf 😉
    Was für ein Garten…

    LG Uwe

  2. Daniela says:

    Hallo Julia!

    Was für eine wunder-wunderschöne Wohnung! So friedlich. So sauber. So un-indisch. Ich würde glatt einziehen! 🙂

    Liebe Grüße & behalte diese herrliche Einstellung bei,
    Daniela

  3. jules says:

    🙂

    Hallo Uwe!

    Du bist super – mit Deinem 1a- männlichen Vornamen! Ich grinse breit! U. könnte jedoch auch Ulrich heißen, oder Udo, oder Umberto…. ich lasse das an dieser Stelle offen…
    Auf jeden Fall vielen Dank für Deine guten Wünsche. So langsam komme ich hier auch seelisch an und die ganze Plackerei des Umzugs fällt langsam von mir ab. Eines kann ich jedoch jetzt schon sagen: FREIWILLIG ziehe ich hier NICHT mehr aus! Das Haus, die Lage, der Garten sind einfach toll und wir haben unheimlich viel Glück gehabt, es mieten zu dürfen. Sind selten, so kleine, alte Bungalows wie dieser, hier in Koregaon Park, weil alle “Großkopferten” wie Poonawallah, Bajaj etc. die Grundstücke für viele Millionen Euro aufkaufen, um ihre völlig abgedrehten Luxusvillen draufzusetzen.
    Witzig ist, dass man in Indien bei der Adressangabe immer eine “Landmark”, eine Orientierungshilfe, mitangibt. Meine landmark lautet jetzt Poonawallah Mansion – das hätte ich vor einem Jahr nicht zu träumen gewagt! Verrückt.

    Wie dem auch sei: Vielen Dank für Dein virtuelles Brot und Salz! Und ganz liebe Grüße aus dem klebrig-heißen Indien ins kalte Deutschland.

    Julia

  4. jules says:

    Hallo Daniela!

    Es freut mich sehr, dass Dir unser Haus gefällt!

    Ja, es ist herrlich ruhig und sauber und ziemlich un-indisch! Es ist eine Oase der Ruhe und ein wunderbarer Platz um aufzutanken für den von mir so geliebten Wahnsinn da draußen!

    Wenn Ihr einziehen wollt: Bitte, wir haben noch ein Zimmer frei! 😉

    Komm doch einfach vorbei, falls/wenn Du/Ihr das nächste Mal in Pune seid. Ich würde mich freuen, Dich kennenzulernen! Oder soll ich mich mal melden, wenn ich in Mumbai bin?

    Auf jeden Fall ganz liebe Grüße nach Mumbai

    Julia

  5. Steffi says:

    Hallo Julia,

    schön zu lesen, daß Ihr nun komplett angekommen seid.
    Ich hoffe, die Zufriedenheit, die ich aus Deinen Zeilen herauszulesen meine, bleibt bestehen. Obwohl sich damit ja meine Befürchtung verstärkt, Dich so schnell nicht wieder zu sehen. 🙁

    Fühl Dich gedrückt und schöne Grüße an Ulf- Ulfried- Ulrich- Urs- Ustav- Unnar- Ulexander- Ustoph- Ungelbert. 😉

  6. Daniela says:

    Danke, Julia!

    Wenn wir das nächste Mal in Pune sind, nehmen wir die Einladung gern an. Zur Zeit mach ich Urlaub in Deutschland. Das eine oder andere Fischbrötchen ist schon drin. 😉

    Übrigens: Super Bücherregal!

    LG
    Daniela

  7. jules says:

    @ Daniela:
    Ist ja auch von IKEA, Deutschland, ähem, Schweden ….:-)

    Und: Fischbrötchen sind klasse. Genau wie Masala-Dosas! Genieß die Zeit in Deutschland!
    J.

  8. jules says:

    Meine liebe, liebe Steffi!

    Fühl Dich herzlich gedrückt!

    Deine Kreativität in Sachen Namensgebung mit U. ist ja wirklich beträchtlich! Ich hab jedenfalls SEHR geschmunzelt, als ich die Vorschläge las. Wer würde sein Kind schon Ungelbert nennen? Doch höchstens, wenn man es von Geburt an hasst, oder?

    Tjaa, ich befürchte, Du hast recht mit dem Hierbleiben. Aus ganz egozentrischen Gründen muss ich leider, leider sagen, dass man mich hier nur gegen meinen Willen wieder herausbekommt und das will ich nicht hoffen. Wir werden sehen.

    Ganz liebe Grüße
    Julia

  9. teodoraa26 says:

    Ich mag deinen Garten… 🙂 auf dem Foto sieht es sehr ruhig, schattig und idyllisch aus mit all den unterschiedlichen Grüntönen und den Bäumen dahinter…. und das Haus wirkt als wenn man einfach nur die Tür und Fenster öffnen muss, wenn es zu warm ist, anstelle die Klimaanlage anzuschalten…. schön, dass es euch so gut gefällt….. 🙂

  10. Jenny1978 says:

    Hihi Julia, wenn Du dir deinen letzten oder vorletzten Post bezüglich des Vornamens deines Gatten nochmals durchliest wird dir auffallen wie Uwe zu Uwe kam *grinsssss*
    Es sieht wirklich toll aus in deinem neuen heim….ich fand den Garten auch gleich super ansprechend….IKEA spricht für sich *smilie* ich habe auch alles voll davon…..also viel Glück daheim und lass es dir nicht wieder wegnehmen *zwinker*

    LG Jenn

  11. Uwe says:

    @ Jenny, Steffi, Jules und (naturelement !!) U.

    Ein U. ist ein U., es gibt nur einen männlichen Namen U.
    U.`s aller Länder vereinigt Euch.Lasst keinen U. Zwischen Euch und
    dem einzig wahren U.

    U.forever

    LG (auch ein) U. :-)) :-))

  12. Uwe says:

    Nachtrag:

    Sorry, wollte eigentlich “Lasst keinen T. zwischen Euch und dem einzig wahren U.” posten.

    Naja, kann passieren bei all diesen wunderbaren U.’s

    GLG Uwe (alias U.2)

  13. ute says:

    Sehr schoen habt Ihrs! Ich wuensche euch viel Freude und Glueck im neuen Haus! Dem Artikel kann ich mich nur von ganzem Herzen anschliessen.

    lg
    Ute

  14. Toni says:

    Hallo Julia,

    bin gerade auf deinen Blog gestoßen und lese ihn mit großer Freude. Wollte eigentlich nur etwas mehr über Pune wisse und dann bei dir hängengeblieben. Der Garten ist toll! Wünsche dir alles Gute in Indien. Schöne Grüße aus München
    Toni

  15. Chris says:

    Hallo Julia,

    auch von uns noch einmal ein “Herzlich Willkommen im Koregaon Park” Aufgrund von Arbeit, Reisen etc. bin ich leider nicht eher dazu gekommen, Euch, unsere neuen Nachbarn zu begruessen.

    Hoffe Ihr werdet Euch hier ebenso wohl fuehlen wie wir es tun.

    Liebe Gruesse

    Chris

    ebenfalls Landmark OPP. Poonawallah Manor 🙂