Auch das ist Indien.

Ich bin sauer, stinksauer. Angeblich ist Indien ja ein ach so spirituelles Land, jeder hält am Tag mindestens fünf Poojahs ab, man rennt in die Tempel, man betet, man wirft sich vor Lakshmi oder Ganesh in den Dreck, man verbrennt viel Räucherwerk und macht einen großen Zauber um alles, was heilig ist oder sein könnte.

Nur im Alltag sieht die Sache anders aus. Da gilt das Faustrecht oder eher alttestamentarische Gesetze wie ‘Auge um Auge, Zahn um Zahn’. Indien ist meiner Erfahrung nach ein Land der Missgunst, keiner gönnt dem anderen die Butter auf dem Brot oder gar größeren materiellen Wohlstand.

Nun zum Auslöser meines Ärgers: Heute hatte ich vor, den Hundezwerg Zorro endlich seinem neuen Zuhause zuzuführen, das im Moment noch eher eine Baustelle ist als ein fertiges Haus, denn mein bester-Freund-und-Frauenversteher Somar hat gebaut. Und zwar hinter der neu gezogenen Mauer. Und legal. Endlich gehören ihm die 20 Quadratmeter Grundfläche indischen Bodens, auf denen jetzt sein neues, zweigeschossiges Haus entsteht. Soweit, sogut.

Der Ärger mit seinen missgünstigen Nachbarn begann, als diese ihm den Zugang zur einzigen örtlichen Wasserleitung verwehrten, nur so, weil man neidisch war, reine Schikane. Suwita und Shanti schufteten, holten Eimer um Eimer der kostbaren Flüssigkeit von der weit entfernten Zentralversorgung, die so dringend zum Zementmischen gebraucht wurde; es gab viel Gezänk, bis Somar endlich seine eigene Leitung hatte. Damit war erst mal Ruhe im Karton.

Heute brachte ich dann den Zwerg vorbei und wir schauten nach einer Möglichkeit, Zorro sicher anzubinden, damit er nicht weglaufen kann. Dafür hatte ich eine Kette gekauft; keine schöne Lösung, aber eine sichere, bis sich der kleine Kerl an sein neues Zuhause gewöhnt hat. Dazu gilt es ergänzend zu erwähnen, dass das neue Haus im Rohbau steht (bislang ohne Türen), die beiden Frauen in einer nahen Wellblechhütte campieren, wo auch das gesamte Hab und Gut der Familie diebstahlssicher verrammelt ist, wo gekocht wird. Die Männer schlafen in dem kleinen Durchgang hinter der Mauer, mit den Ziegen. Ich will an dieser Stelle keinesfalls sagen, dass sie da auch hingehören.

Vielleicht war es eine wirre Idee, zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Kleinen der Familie übergeben zu wollen, doch sie hatte mehrere, gute Gründe. Zum einen sind weder Goshana noch ich in der Lage und Willens, permanent eine Vollzeit-Betreuung zu leisten, zweitens wird es jetzt höchste Zeit, dass sich der Hund an seine eigentliche Familie gewöhnt, denn Indern gegenüber ist er eher handscheu und zickig. Das sollte ihm schnellstens abgewöhnt werden. Und zwar von seinen zukünftigen Herrchen, ebenfalls Inder.

Als ich heute mit Zorro auf der Baustelle auftauchte, lief die ganze Nachbarschaft zusammen: Oh, ein neuer Hund!, Und was für ein schöner! Ist das ein Dobermann? Ich sah das Unglück förmlich kommen. Zorro saß verängstigt in der Ecke, alles glotzte. Ich packte die neue kleine Kette aus und machte Zorro damit am Bettpfosten fest, seine Ecke war gefunden. Bis Nachbarin eins, die Zicke, mit einem höhnischen Grinsen meinte:  “Also da müssen Sie eine neue Kette kaufen, die Kinder werden sie zum Spielen abnehmen, tja und dann ist der Hund wohl weg!”

Es gibt Momente im Leben, in denen man jemandem so richtig in die gemeine Fresse schlagen möchte. Sogar als Buddhist. Nur ein Schlag, präzise, treffsicher, wirkungsvoll. Mit dreister Dummheit diskutiert man nicht. DIES war so ein Moment.

Dann wurde ich ungemütlich, allerdings verbal. Somar´s erster Hund wurde vergiftet (in einer anderen, netten Nachbarschaft), der Zweite geklaut: Genau vor drei Monaten hatte er einen Straßenhund-Welpen aufgenommen, hatte ihn gepäppelt, verarztet, geimpft, stubenrein bekommen, eine Madeninfektion versorgt etc.pp. Das ganze Procedere. Tja, und dann war der Hund weg. Auf nimmer Wiedersehen. Und das nur, weil ein paar missgünstige Nachbarn es nicht ertragen können, dass es einer anderen Familie wohl ergeht?!

Nicht mit mir. Wir haben nicht seit einem Monat jede Menge Zeit, Mühe, Energie und Geld in das kleine Wesen investiert, nur damit es von intellektuell minderbemittelten, gewissenlosen Nachbarn zum Spielball ihrer Rache gemacht wird, und ausgesetzt in der Gosse landet. Ich redete Tacheles.

Nachdem ich damit fertig war, hatte sich Zicke Nr.1 in ihren Wellblechverschlag zurückverkrochen und die ganze Schar rotznäsiger Kinder das Weite gesucht. Trotzdem schnappte ich Zorro und verschwand, Suwitas betretenem Gesicht zum Trotz.

Ich komme wieder, wenn die Türen drin sind und der Kleine (halbwegs) sicher. Oder Zorro groß und schlau genug ist, zu wissen, wer Freund ist, wer Feind. Manchmal frage ich mich, in was für einem Land ich hier eigentlich lebe.

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4 Responses to “Auch das ist Indien.”

  1. Frank B. says:

    Stimmt leider … Ein Großteil der Inder sind arrogante und debile Klappspaten !!! Nach (nur) einem halben Jahr Indienaufenthalt kann ich das sagen. Mal ganz zu schweigen, wie hier mit der Umwelt umgegangen wird. Von wegen spirituell und so … alles Quatsch mit Soße. Spätestens, wenn man unter dem Bodhi-Tree die in ihre Handys reinquatschenden Inder sieht, geht einem die Hutschnur hoch ! Schade, vielleicht klappt es im nächsten Leben besser …. Ach ja, und die Nummer mit den heiligen Kühen; wie die das Leder abgezogen bekommen, einfach mal im Netz recherchieren … Ach so, was auch großartig ist: Überall sieht man nackte Hintern, die einfach so auf die Straße kacken … Nach dem hundertsten A…. innerhalb einer Stunde kann man es nicht mehr ertragen.

  2. Annibody says:

    Hi Julia,

    ich sass am Wochenende gemuetlich im Biergarten (in Deutschland). Ein paar Tische weiter sass eine Frau mit zwei Hunden an der Leine. Dann kam ein vielleicht 6jaehriger Junge, der um die Hunde anzuschauen und vielleicht auch um sie etwas zu aergern (Wer weiss) ganz dicht an dem Tisch mit den Hunden vorbeigelaufen ist. Die Hunde haben das
    Klaeffen angefangen und die Frau hat angefangen loszuschimpfen:”Arschloch”, sagt sie zu dem kleinen Jungen. ” Du siehst doch, dass die Hunde sich aufregen, wieso musst Du denn dann noch hier direkt vorbeilaufen. Unmoeglich! Wo sind denn Deine Eltern…Was ein Arschloch…” und so weiter und so fort. Da bin ich richtig sauer geworden auf die Frau und habe ihr gesagt, dass ihr Ton einem kleinen Kind gegenueber ziemlich daneben ist.

    An unserem Tisch wurde dann noch eifrig weiter diskutiert: “DAS ist Deutschland!” sagt dann einer. ” Total kinderfeindlich!” “Keinerlei Verstaendnis.” Da habe ich gemerkt, dass ich schon wieder sauer wurde. Denn: DAS ist nicht Deutschland. DAS ist eine ziemlich dumme Frau oder das sind dumme Menschen, die so kinderfeinlich sind. Aber daneben gibt es in Deutschland
    zum Glueck noch viele intelligentere Menschen.

    Ich muss mir gerade zu oft anhoeren, wie doof Deutschland doch ist und wie doof die Deutschen doch sind, dass ich auf Aussagen wie ” Das ist Deutschland” oder auch “Das ist Indien” einfach nur noch allergisch reagiere.

    Ich freu mich uebrigens sehr, dass Du hier weiterschreibst. Das war eine schoene Ueberraschung nach dem Indienurlaub hier so viel Neues zu lesen. Weiter so! Und wenn Du mehr Kommentare willst, dann bemuehen wir uns alle, versprech ich jetzt einfach mal so.

    LG, Annibody

  3. jules says:

    Hallo Annibody,

    Du hast ein kleines, aber in diesem Zusammenhang wichtiges Wort überlesen: Nämlich: “auch”! Dieses kleine “auch” impliziert, dass es eben AUCH diese Seite an Indien gibt, und meint eben nicht, dass Indien generell so ist. Mit derlei Art von Verallgemeinerungen kann ich auch nicht viel anfangen.
    Was ich hier einfange, sind grundsätzlich immer nur Momentaufnahmen und sie zeigen immer nur Ausschnitte meiner erlebten Realität. Natürlich kann man nichts generalisieren.

    Hoffentlich hattest Du eine schöne Zeit hier! Vielleicht kannst Du uns zum Beispiel im Rahmen meines Blogs ein paar Deiner Beobachtungen mitteilen. Es ist immer interessant, und zum Teil sehr kontrovers, wie Menschen dieses Land (ich würde eher von Kontinent sprechen) empfinden.

    LG nach D

    Julia

  4. Annibody says:

    Hi Julia,

    ist schon klar, Du musst Dich gar nicht verteidigen. Ich bewundere eh, wie Ihr Blogger es schafft Eure Erlebnisse so anschaulich in der Kuerze darzustellen.. und das man da ab und an verallgemeinern muss, ist eigentlich klar. Ich habe ja auch extra geschrieben, dass ich da derzeit so allergisch drauf reagiere, weil ich solche Aussagen momentan einfach so oft (anders herum) von Indern in Deutschland hoere und merke, dass mich solche Verallgmeinerungen auf Dauer echt sauer machen. Vielleicht hatte ich einfach das Gefuehl, solchen Kommentaren wie von Frank B. etwas gegensteuern zu muessen. Denn so etwas: “Stimmt leider … Ein Großteil der Inder sind arrogante und debile Klappspaten !!! Nach (nur) einem halben Jahr Indienaufenthalt kann ich das sagen.”(Zitatende) kann/darf/sollte man nicht schreiben.

    LG, Annibody

    P.S. Ja ich hatte einen schoene Zeit, bin aber ein zu schlechter Schreiber, als dass ich hier schoene Geschichten schreiben koennte. Aber wenns mal passt, schreib ich gerne einen kleinen Kommentar mit meinen Erlebnissen.