Ein Wochenende in Karnataka

Wir haben Glück: Wir haben einen neuen Fahrer. Einen gut gelaunten. Dasharat ist so um die zwanzig, ein schlacksiger Smartguy mit Goldring im Ohr. Vielleicht ein kleines bisschen schwul. Auf jeden Fall nicht familienorientiert wie Manoj. Dasharat hat auch Bock auf seinen Job, das merkt man, wenn man mit ihm fährt, denn Dasharat wäre gerne Rennfahrer geworden. Nun sind Rennfahrer-Karrieren überall auf der Welt eher selten, was aber in Indien nichts macht, denn man kann Rennen ja auch auf jeder x-beliebigen Landstraße fahren. Vergangenes Wochenende fuhren wir nach Bijapur. Feine 350 Kilometer auf dem Highway 9 von Pune Richtung Südosten. Dasharat rieb sich die Hände und drückte aufs Gas. Sechs Stunden und etliche “Near Misses” später entstiegen wir einer Wolke Bremsstaub (und einem unversehrten Toyota) und checkten ins Hotel Madhuvan ein.

Bijapur ist eine fast durchschnittliche Kleinstadt, wenn man davon absieht, dass sie einige der berühmtesten islamischen Bauwerke Südindiens beherbergt – den Golgumbaz (siehe oben) und Ibrahim Rouza, beides Mausoleen, erbaut von und zu Ehren der muslimischen Herrscher Mohammed Adil Shah und seinem Enkel Ibrahim Adil Shah II jeweils im siebzehnten Jahrhundert. Warum sämtliche Herrscher vor allem für die Zeit nach ihrem Ableben planen und bauen – man weiss es nicht. Heraus kommt jedoch ein beträchtliches Stück architektonischer Meisterleistung und, wenn man zum Beispiel an das Taj Mahal in Rajasthan denkt, großartige Anmut.

Für den Golgumbaz trifft es das nur bedingt. Der Golgumbaz ist vor allem eines: Monumental. Er erschlägt einen fast, hat aber seine akustischen Finessen im Inneren der schlichten Kuppel, die den großzügigen Durchmesser von 38 Metern hat. In beträchtlicher Höhe gibt es eine Balustrade, die “Whispering Gallery”. Und wie der Name sagt, braucht man auf ihr nur etwas zu flüstern und schon überträgt die Kuppel den Schall zur anderen Seite. Wahrscheinlich hatte Mohammed Adil Shah ein großes Herz und wollte sämtlichen Liebenden nachfolgender Generationen ihr Rendezvous erleichtern, als er das Mausoleum bauen ließ. Denn hier kann man sich zum Stelldichein verabreden, ohne dass man direkt miteinander redet. Gut, der Mann.

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Es gibt aber auch Bauwerke, die öffnen die Tür der Seele für eine andere Zeit, eine andere Welt, eine andere Geisteshaltung, einen anderen Glauben. Ibrahim Rouza ist so ein Bauwerk:

Und das alles im Namen der Liebe, zu seiner Frau Taj Sultana, zu Allah, zur Schönheit – Ach, warum leben heute keine vermögenden Romantiker mehr? Oder kenne ich sie nur nicht?

Anyway, wir hatten Spaß in Bijapur. Genossen habe ich auch die Rückfahrt mit Dasharat durch strömenden Regen – Dasharat hatte gedanklich Slicks aufgezogen und ließ es richtig krachen. Ich vergrub mein kalkweisses Gesicht wohlweislich in ein Buch. Nächste Woche, wenn U. in Deutschland ist, fahren wir nach Nasik, zu den heiligen Ghats von Maharashtra. Falls, ja falls wir Nasik unversehrt erreichen…

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3 Responses to “Ein Wochenende in Karnataka”

  1. Stefanie says:

    Hallo Julia,
    Deine Reiseberichte gefallen mir sehr gut, und tolle Fotos machst Du! Ich freue mich schon sehr auf mehr!
    Danke!

  2. Sandra says:

    Hallo Julia,

    bin erst heute auf deinen Blog gestossen und lese mich mit Begeisterung durch. Die Photos in diesem Beitrag sind toll. Was für eine Kamera verwendest du?

    Liebe Grüße aus Stuttgart,

    Sandra

  3. admin says:

    Freut mich, dass er Dir gefällt. Macht mir unheimlich viel Spaß, zu schreiben, was ich denke, und mein “eigener Herr” zu sein. Chefredakteure von Lokalzeitungen können die Pest sein.

    Pass auf, die meisten Fotos mache ich mit einer Panasonic Lumix DMC FZ18. Kann ich nur empfehlen – ist vor etwa einem Jahr (?) auf den Markt gekommen und macht fantastische Bilder, dafür, dass es keine Spiegelreflex ist. Wenn ich mal Lust habe, mehr zu schleppen (ist selten der Fall), dann darf die Nikon D 200 von U. mit. Macht aber nicht unbedingt bessere Bilder, wie ich finde.

    Liebe Grüße zurück vom regenreichen Pune ins hoffentlich herbstlich sonnige Stuttgart,
    Julia