Archive for the ‘Reisen’ Category

Einmal Kalkutta, nicht zurück.

Wednesday, September 30th, 2009

Das europäische Menschenhirn stellt sich in seiner grenzenlosen Naivität einen Bahn-Ticketkauf in Indien wie folgt vor: Man betritt ein authorisiertes Reisebüro, sagt wann man wohin möchte, in welcher der ungefähr 15 Klassen man reisen möchte und bekommt dann einen entsprechenden Fahrschein ausgehändigt. Einfach, oder?

Nee, nee, so läuft das nicht. Viel zu europäisch gedacht. Die Realität sieht anders aus. Bei meinem ersten Anlauf zum Erstehen des begehrten Fahrscheins rettete ich mich aus strömendem Regen in das trockene Innere des kleinen Reisebüros an der Ecke, trug hoffnungsfroh mein Anliegen vor, woraufhin der Angestellte nach unverständlichem Gemurmel zum Telefon griff und in den Hörer bellte. Kurze Zeit später reichte er mir das schmierige Plastikteil herüber und ich hatte seinen Chef an der Strippe. Er erklärte mir, dass das System leider nicht funktionieren würde – womit er wohl das elektronische Reservierungssystem der indischen Eisenbahn meinte. Ich könne es doch morgen noch einmal probieren – bis dahin solle es wohl wieder laufen.

Als Gott Gott spielte.

Sunday, September 20th, 2009

 

morgenstimmung

Als Gott den Himalaya erschuf, hat er in die ganz große Trickkiste gegriffen. Oder aber er war gerade auf Ecstasy, hat sich den Mond näher angesehen und dabei festgestellt, dass er das Projekt ganz gut hinbekommen hat: “Junge, das habe ich aber fein angestellt. Das mach ich jetzt auf der Erde genauso so!”, mag er sich gesagt haben und nach einem Moment des Zögerns und der gerunzelten Stirn stach sein großer, behaarter Zeigefinger dorthin, wo sich heute Nordindien befindet und zog eine göttlich-gigantische Fingerspur durch den prähistorischen Matsch gen Osten, bis sich gewaltige Berge aufhäuften und tiefe, steile Täler abfielen, in denen Flüsse strömten und sich das Sonnenlicht gleißend mit der Erde vereinte.

Not for the fainthearted.

Sunday, September 13th, 2009

“Fahren oder Nicht-Fahren?”, das war die Frage, die mir quengelnd in den Ohren lag, als wir aus den großen Panorama-Scheiben unseres Zimmers die düsteren Regenschleier betrachteten, die die Berggipfel verschluckten und Manali in eisige Dauer-Dämmerung hüllten. Der Wetterbericht, den mir die nette Rezeptionistin aushändigte, versprach jedenfalls nicht Gutes für die kommenden vier Tage: Regen, Regen, Regen. Für die Pässe bedeutete das Schneefall; ein Taxiunternehmer, mit dem wir redeten, sprach sogar von der Sperrung des Highways. Nicht umsonst bedeutet der Name des ersten 4000 Meter hohen Passes, Rohtang-La, wörtlich übersetzt, “Haufen toter Körper”, für die vielen Reisenden, die im Laufe der Jahrhunderte auf den eisigen Höhen des Passes erfroren sind. Da oben bist Du auf Dich gestellt, selbst wenn die Präsenz der indischen Armee während der offiziellen Öffnungszeit des Highways von Mitte Juli bis Mitte September ein Minimum an Sicherheit gewährleistet, indem sie in regelmäßigen Abständen patroullieren und Erdrutsche räumen. Wie wichtig das für uns werden würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Stuck.

Thursday, September 3rd, 2009

Wir sind gefahren wie die Teufel: 2400 Kilometer in drei Tagen, das ist verdammt viel für indische Verhältnisse, plus ein Tag in Udaipur, zum Luftholen. Wir wollten Zeit für den Himalaya, Zeit für die Pässe, Zeit für die Weite und die Einöde.

Nun sitzen wir fest, alle Fahrerei umsonst: In Manali hat sich ein Gewitter zusammengeschoben, das seit 15 Stunden eine Regenfront nach der anderen durch das Tal jagt und die Gipfel der umliegenden Berge in graue Schleier hüllt, sofern sie nicht durch krachende Blitze erhellt werden.

Die steil abfallenden Dorfstraßen haben sich in Sturzbäche verwandelt, seit unserem Spaziergang nach Alt-Manali bin ich klatschnass. Nur die Affen, die munter von einem Baumwipfel zum anderen turnen, und wummernd auf den Blechdächern landen, scheint das kalte Nass nicht zu stören: In Gruppen jagen sie durch die Stadt und legen sich gern einmal mit den Straßenhunden an, die zusammengerollt auf den kleinen Holzveranden der einfachen Hütten vor dem Unwetter Schutz gesucht haben: Alles an ihnen, von der Nase bis zur eingerollten nassen Schwanzspitze sendet eine kollektive Message: Hey, man, THIS IS A FUCKING DAY in a dog`s life!

Heading North

Wednesday, August 26th, 2009

Endlich. Schon seit vielen Jahren wollen wir in den Himalaya, am kommenden Samstag geht es los: knapp viertausend Kilometer oneway durch fünf Bundestaaten werden wir in einem geländegängigen Fahrzeug zurücklegen. Wir werden von Maharashtra über Gujarat, Rajasthan, Haryana und Himachal Pradesh fahren, bevor wir zum eigentlichen Ziel unserer Reise kommen: Das dreieinhalb tausend Meter hoch gelegene, buddhistische Leh im nördlichsten Bundestaat Indiens, Jammu & Kashmir, im Herzen des Westhimalayas.

Dabei wird uns unser Weg über die zweithöchste befahrbare Passstraße der Welt führen, den 5300 Meter hohen Tanglang-La, der Teil des Manali-Leh-Highway ist, für den wir voraussichtlich zwei Tage brauchen werden:

Auch wir hätten die Tour gern mit Motorrädern gemacht – allerdings hat meine angerissene Achillessehne dies Abenteuer vereitelt: Man kann ein wegrutschendes Motorrad schlecht mit einem kaputten Fuß auffangen, die warnenden Worte meines Arztes eingedenk.

Indien ist nicht gleich Indien.

Saturday, August 22nd, 2009

Ich musste raus. Raus aus Pune. Keine 5,5 Millionen Menschen mehr auf den Straßen, keinen Smog, keine Atemmasken, kein Dorabjees, kein Dighi-Mountain, keine langen Hundespaziergänge, keine Schweinegrippen-Schlagzeilen mehr und kein Schweinegrippen-Virus. Aus. Ende. Vorbei. Ich bin weg.

Am letzten Dienstag nahm ich einen Flieger nach Rajasthan, nicht ohne vorher noch einmal in epischer Breite den Smog Mumbais in mich aufzusaugen und meinem Schicksal zu danken, dass ich nicht vier Stunden jeden Tages in den stinkenden Diesel-Abgasen dieses Superlativ-Molochs zu verbringen habe, nur weil ich zur Arbeit will. Obwohl ich Mumbai klasse finde. Interessant. Spannend. Alles andere als provinziell.

Nur eine Stunde später wurde ich in Udaipur ausgespuckt, diesem so geschickt als Venedig Indiens vermarkteten Fleckchen Erde mit seinen gerade einmal 400.000 Einwohnern, sauberer Luft, klarem Himmel (kein Smog!) und seinen Palästen aus 1001-Nacht, nein, natürlich aus der Maharadscha-Zeit im 17., respektive 18. Jahrhundert.