Archive for the ‘Leben’ Category

It must be love…

Monday, October 12th, 2009

Samtweich streichelte heute morgen um vier die linde Nachtluft Indiens meine übermüdeten Glieder, als ich, verschwitzt und übernächtigt, voller Freude übers Rollfeld lief. Ich war drauf und dran gleich dort meiner Freude Ausdruck zu verleihen, auf die Knie zu fallen und den geheiligten indischen Boden zu küssen, konnte mich aber gerade noch zurückhalten und verschob das Ritual auf später.

Ich konnte nicht anders, als breit zu grinsen, als mir die junge Krankenschwester in einer pro-forma-Prozedur das Fieberthermometer (?) an den Hals hielt – 98° Fahrenheit, no worries –  und mich der bärtige Arzt nach irgendwelchen Schweinegrippen-ähnlichen Unpässlichkeiten fragte, die ich lächelnd verneinte: “Namaskar!” schmetterte ich ihm stattdessen gutgelaunt und Uhrzeit-unangemessen entgegen und preschte nach dem üblichen Stempelritual der Immigration entgegen. Dort fehlte mein spezieller Freund vom letzten Mal, Mr. Wichtigtuer, der mich ohne mein original FRO-Papier nicht einreisen lassen wollte. Stattdessen saß dort ein junger, durchaus netter Beamter, der wohl auch ohne Bakshish leben kann: Er jedenfalls winkte mich nach kurzer Prüfung der Papiere durch, ohne das sensible Stück überhaupt sehen zu wollen. Indien hat mich wieder und ich bin so, so froh.

Notiz: Sterben in Indien.

Monday, August 17th, 2009

Wo wir gerade beim Sterben sind: Heute, seit schätzungsweise drei Wochen, machte die TOI das erste Mal NICHT mit der Schweinegrippe auf, sondern mit einer anderen, zugegebenermaßen traurigen Nachricht:

Indien ist nach einer Statistik der WHO das Land mit den meisten Verkehrstoten – 2006 (die neuesten verfügbaren Zahlen) starben mehr als 114.000 Menschen (zum Vergleich: knapp 90.000 in China) auf den Straßen Indiens, nicht mitgerechnet diejenigen, die erst ein paar Stunden nach Einlieferung in das nächste Krankenhaus den Löffel abgaben – die Angabe bezieht sich nur auf die direkt am Unfallort Verstorbenen. Ich denke, da kann man dann locker noch mal das Doppelte addieren, um an eine realistische Zahl zu gelangen.

Dabei führen die Länder Andhra Pradesh und Maharashtra die Liste der “Killerstaaten” an – die Ursachen liegen vor allem im Schnellfahren, möglichst betrunken und unangeschnallt, und, was Motorräder angeht: Keine Helme, aber zwei Kinder vor dem Bauch, natürlich auch ohne Helm.

Pune in Angst. Update.

Tuesday, August 11th, 2009

Pune dreht durch. Ich hätte nie gedacht, dass ich außerhalb Japans einmal so viele Atemmasken sehen würde, wie die, die jetzt das Straßenbild der Stadt prägen: grüne Chirurgenmasken, gelbe, blaue, rote Dreiecksmasken, die aussehen wie vertikale Entenschnäbel, die ganze Bandbreite vorstellbarer und unvorstellbarer selfmade-Masken, Halstücher als Mundschutz oder alle drei Varianten übereinander: Pune ist fest in der Hand der Schweinegrippe, psychologisch betrachtet jedenfalls.

Die Angst geht um in der Stadt und wird munter gefüttert mit der ewig wiederkehrenden Berichterstattung über das Virus: Seit zehn Tagen titelt die Times of India Pune mit nichts anderem als den neuesten Infektionszahlen, den hilflosen Versuchen hysterischer Bürger, die zu Tausenden täglich an den hoffnungslos überforderten Screening-Centers Schlange stehen, um sich auf das Virus testen zu lassen, und den Zuständen in den staatlichen Hospitälern, die bislang das alleinige Recht hatten, H1N1-Patienten in Zwangs-Quarantäne zu nehmen.

Too much.

Wednesday, August 5th, 2009

Ich brüte, wenn ich dazu komme. Und weil ich brüte, kann ich nicht schreiben. Wie Fritz, der kleine Nektarvogel, der auch nicht schreiben kann und zusammen mit seiner Angetrauten Frieda beschlossen hat, sein nur faustgroßes, liebevoll gewebtes Kleinst-Nest direkt vor unserer Küchentür zu platzieren – keine schlechte Wahl: Unter dem Schutz des Balkonüberhangs lässt sich der Monsun vortrefflich regengeschützt überstehen, nur dass wir die Tür nicht mehr öffnen können…

Auch ich verbringe die Regenzeit meistens gut geschützt im Inneren meiner Behausung, allerdings ein wenig stressreicher als die beiden Sunbirds: In letzter Zeit hatten wir Hunderettungsaktionen (Kalu´s GROOOßE LIEBE Snoopy ist weggelaufen und leider noch nicht aufgetaucht), Internet-Rettungsaktionen, kaputte Achillessehnen und damit Arztbesuche und unglaublich viele Treffen mit unglaublich vielen Menschen – too much, too many people, too much. (Na, wer war das? Richtig! Grandmaster Flash – New York, New York, 1983).

grey skies over paradise

Wednesday, July 22nd, 2009

‘Das Ich ist nur eine Schwingtür, die sich bewegt, wenn wir ein- und ausatmen‘
Shinryu Suzuki

Ich wache auf und mein Herz ist so schwer wie der bleigraue Himmel, dessen Wolken den lang ersehnten Regen bringen, der die ganze Nacht gefallen ist; der unser Haus einhüllt in einen Kokon schläfrigen Rauschens. Auch jetzt, in der Morgendämmerung, fallen Schleier dicker Tropfen und verwandeln den roten Lehm der benachbarten Baustelle in neblige Seen, an denen die Hunde herumschnüffeln.

Gedanken tauchen aus dem Rauschen des Regens auf, Sätze perfekter Erkenntnis, die mein Leben betreffen, meine Vergangenheit, die Gegenwart. Ich lasse sie zu und verscheuche sie nicht, auch wenn es weh tut, was ich zu hören bekomme. Ich weiß, dass sich ein Leben nicht über Nacht ändert, also versuche ich, den Schmerz zu umarmen, den Wahrheit verursacht: “Shh, habe Geduld, mein Kind”, flüstert die Stimme in mir und ich weiß, dass sie recht hat.

A blessing in disguise

Monday, July 13th, 2009

Als wir die vergangenen Tage zwei neue Fahrer kennengelernt haben, wusste ich schon nach kurzer Zeit, dass es schwierig werden würde, sich für einen der beiden zu entscheiden: Beide sind zuvorkommend, beide sprechen vergleichsweise gut Englisch, beide sind Hindus. Im Gegensatz zu unseren ungefähr 16 vorherigen Fahrern, die wir zwischenzeitlich verschlissen haben und die mehr oder minder alle ein kleines Party- und Alkoholproblem hatten.

Aber, njet, mein Sohn, es geht auch anders.

Die Entscheidung, WEN man in sein Leben einlädt, ist keine jedenfalls keine leichte: Schließlich kennt Dein Fahrer fast Dein ganzes Leben, weiß, wen Du wann triffst, wo und was Du einkaufst, ob Du müde bist oder hungrig oder verkatert oder verliebt, und, apropos, ob Du gestern Krach mit Deinem Göttergatten hattest, wer Deine Freunde sind, usw. usw. Für Deinen Fahrer bist Du ein offenes Buch, dessen Inhalt er liest wie andere die Tageszeitung: Er weiß alles, und wenn er nicht blöd ist, auch Dinge, die Du maximal mit engsten Freunden teilen würdest. Er ist ein an die Peripherie Deines Lebens angehängtes Familienmitglied and he´d better be trustworthy.